„Explizit!“ – ein neues Buch über die Geschichte und den gesellschaftlichen Wert der Pornos

explizitSich auf intellektuelle Weise mit Pornografie und all den Effekten selbiger zu beschäftigen, scheint dieser Tage ziemlich angesagt zu sein. Fast wöchentlich erscheinen neue Studien zu dem Thema, etablierte Magazine gehen darauf ein und ja – auch wir können uns natürlich nicht davon lossprechen. Während das Thema in Amerika extrem verbreitet zu sein scheint und die Aufklärung über Pornosucht und die negativen Folgen dieser Abhängigkeit häufig diskutiert werden, hinkt Deutschland ein wenig hinterher.

Vor kurzer Zeit gab es aber wohl mal wieder einen etwas fortschrittlicheren Moment in Deutschland – nämlich in der Zeit, als das Buch namens „Explizit! – neue Perspektiven zu Pornographie und Gesellschaft“ herauskam. In diesem Werk beschäftigen sich Lisa Andergassen und ihre Kollegen über die Pornografie und ihren Platz in unserer Gesellschaft. Sie eröffnen den Diskurs zu Beginn direkt mit der Feststellung: „Porno ist überall“. Damit ist wohl viel gesagt, denn die Sexfilme überfluten nicht nur das Internet, sondern erobern gar Wisschenschaft und sogar die Kunstszene.

Moderne Ansichten

Für die Autoren scheint klar, dass die Pornografie nicht so schnell wieder wegzukriegen ist aus der Öffentlichkeit. Nachdem das Genre sich mehr und mehr aus der „Schmuddelecke“ befreien konnte, ist nun wohl die Zeit der ausführlicheren Aufklärung gekommen. Es wird im Buch schon sehr früh – nämlich auf Seite 14 – folgendes festgestellt: „Die Frage ist nicht, ob Pornographie verhandelt werden muss, sondern wer daran beteiligt sein und die Diskurse bestimmen wird“. Dies soll wohl eines verdeutlichen: Die Thematik soll nicht weiter tabuisiert werden, sondern es ist Zeit für ganzheitliche Anerkennung der Art und Weise, wie Pornos die Gesellschaft beeinflussen.

Es ist interessant, dass in dem Buch nicht wirklich Stellung bezogen wird. Das heißt, dass die Verfasser nicht probieren, einen „War on Porn“, also einen Kriegszug gegen Pornografie, herauf zu beschwören. Vielleicht ist auch eben dieser Stil nicht der Schlechteste, wenn man sachlich aufklären will und schlichtweg beschreibt, wie Pornografie die Gesellschaft beeinflusst. Huxleys „Brave New World“ war ja beispielsweise auch frei von Bewertungen der dort dargestellten Zustände. Dennoch hinterließ die dort herrschende Realität beim Leser natürlich einen faden Beigeschmack.

Im Fokus: die Wahrnehmung der Gesellschaft

Ein weiterer toller Aspekt dieses Bandes, der die Beiträge mehrerer Experten zusammenfasst, ist, dass hier kein einzelner Sündenbock gezeichnet wird. Weder die Produzenten, noch Darsteller oder sonstige primär beteiligte Personen der Pornoindustrie werden angezählt. Warum auch? Die Gesellschaft bekommt schließlich das, wonach sie sich sehnt. Im Endeffekt wird sie also nur mit dem gefüttert, was sie nach und nach verlangt. Und wenn das extreme Sexfilme sind, so wurden die Menschen sicherlich bereits vorher mit anderen Inhalten gelockt.

Die Frage, wie die Pornografie die generelle sexuelle Wahrnehmung unserer Gesellschaft beeinflusst, ist doch das Wichtige hier. Und dabei spielt nicht nur eine Rolle, was du dir zuhause privat anschaust. Schließlich werden immer mehr Vorbilder – selbst in der Pornografie – erschaffen, an die sich die Konsumenten zunehmend orientieren. Somit steigt auch der Druck, um eben diesen zwanghaft erschaffenen Ansprüchen zu genügen.

In dem Buch kommen auch Jugendliche zu Wort, die sich – teils ironisch – zum Thema Pornos äußern und auch preis geben, wie die digitalisierte Sexwelt sie beeinflusst. Solche Aussagen sind besonders wichtig, da das Thema noch immer sehr sensibel ist und meistens eher ungern drüber gesprochen wird.“Explizit“ greift genau da an und fordert eine offenere Auseinandersetzung. Ob sie es mit diesem Werk erreicht haben, bleibt abzuwarten. Es bleibt in jedem Fall festzuhalten, dass hier eine neue Perspektive auf die Pornos und den Umgang damit in der modernen Gesellschaft geschaffen wird. Unsere sexuellen Normen sollten vielleicht einmal hinterfragt werden. „Explizit! – neue Perspektiven zu Pornographie und Gesellschaft“ macht den Anfang und könnte den Weg ebnen zu mehr Aufgeschlossenheit zum Thema Pornografie im deutschsprachigen Raum.