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Normale Version: Psychologische Begründungen
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Hallo ihr Lieben,

wie die meisten lese ich schon eine Weile mit... in der akuten Phase nach der Aufdeckung habe ich es nicht geschafft, etwas zu schreiben und mit euch zu teilen.. Nun habe ich mich aber so intensiv mit dem Thema Porno- bzw. Sexsucht (Pornosucht wird im wissenschaftlichen Kontext meist als Variante/Bereich/Teil der Sexsucht betrachtet und bei vielen hier geht es ja auch in die Richtung Cybersex-Sucht mit Sexting und erotischen Chats oder sogar das Ausleben mit Prostituierten..) beschäftigt, dass ich gerne einiges davon mit euch teilen möchte.
Ich habe es in "Persönlichkeitsentwicklung" eingeordnet, weil das bloße Aufhören mit süchtigem Verhalten das darunter liegende Problem aus psychologischer Sicht nicht löst.

Den Teil mit dem Dopamin und anderen körpereigenen "Drogen" überspringe ich vorerst mal, da ihr darüber wahrscheinlich bestens informiert seid. Dieser spielt natürlich eine entscheidende Rolle.

Ich fasse hier einfach mal so knapp wie möglich zusammen, was ich bei meiner Recherche so gelernt habe:
  • im Grunde hat diese Sucht nichts mit Sex zu tun, sondern
    ist eine erlernte Art, negative Gefühle wie Einsamkeit, innere Leere, Minderwertigkeitskomplexe, Scham, Langeweile, Angst, Wut usw. "wegzudrücken", auszuschalten, zu betäuben, zu überdecken. Eine Flucht, ein Schutzmechanismus.
    Zu Beginn mögen diese Mechanismen noch gut funktionieren, da da sich das süchtige Verhalten gut anfühlt, im Laufe der Sucht werden diese negativen Gefühle nun allerdings verstärkt (Teufelskreis), da Scham, Schuldgefühle und die Machtlosigkeit, das süchtige Verhalten aufzugeben, diese noch befeuern (oft werden diese dann auf Angehörige projiziert)
    Durch diesen Mechanismus werden die meisten Süchtigen auch relativ bis völlig unfähig, Empathie zu empfinden...
  • die Amis betrachten sexuelle Sucht meist als Symptom einer "Intimitätsstörung (intimacy disorder)",
    (im deutschsprachigen Raum mit dem Konzept Bindungsangst/-störung vergleichbar)
    meist liegt die Ursache dafür in der Kindheit/frühen Jugend.
    Laut Dr. Robert Weiss wird Intimität durch Intensität ersetzt. Intimität meint hier ein sich Öffnen, eine echte Verbindung mit einem anderen Menschen eingehen, welches dem Betroffenen nicht möglich ist und durch intensive Beschäftigung mit Sex ("falsche Intimität") ersetzt wird.
  • 8 Grundmotive sexsüchtigen Verhaltens (aus wissenschaftlicher Studie von John R. Guigliano, 2006), ohne Rangfolge:
    narzisstische Bedürfnisse, Bedürfnis nach Nähe und Liebe, Bedürfnis nach Selbstwertgefühl, Bedürfnis nach Schmerzfreiheit, Bedürfnis nach Befreiung von schmerzhaften traumatischen Affekten, Bedürfnis nach sexueller Identität, Befreiung von Belastung und Druck, Bedürfnis nach Macht und Kontrolle
  • 4 Grundüberzeugungen nach Dr. Patrick Carnes:
    #1 Selbstbild: Ich bin eine schlechte, wertlose Person
    #2 Beziehungen: Niemand würde mich lieben können, wenn er wüsste, wie ich wirklich bin
    #3 Bedürfnisse: Meine Bedürfnisse können nie erfüllt werden, wenn ich von anderen abhängig bin
    #4 Sexualität: Sex ist mein wichtigstes Bedürfnis


Wie bei jeder Sucht oder jedem Zwang ist dies natürlich alles unbewusst und durch die Betäubung ist es gar nicht möglich, mal tiefer zu schauen, was eigentlich los ist.
Außerdem trifft dies sicherlich nicht bei jedem zu und wenn dann wahrscheinlich nicht alle Punkte oder eben in unterschiedlicher Gewichtung.. Ist ja auch alles wahnsinnig komplex.
Im ersten Moment mag sich das alles sehr brutal anhören und ich hoffe sehr, dass sich niemand angegriffen fühlt und ich jetzt nicht total gesteinigt werde.

Zu einer konstruktive Diskussion darüber oder der Ausführung/Erklärung der einzelnen Punkte bin ich natürlich gerne bereit.
Bedenkt bitte auch, dass diese Zusammenfassung sehr abstrakt ist, UND sich auf Sexsucht im Allgemeinen bezieht. Zu Pornosucht im Speziellen gibt es natürlich auch noch jede Menge andere Theorien (vor allem was die jüngeren Süchtigen betrifft), über die ich natürlich auch gerne diskutiere.

Für mich als Partnerin waren diese Erkenntnisse sehr wichtig, um die Sucht besser zu verstehen und natürlich auch um zu versethen, dass das Ganze nichts mit mir zu tun hat.

Ich bin sehr gespannt, was ihr dazu sagt.

Liebe Grüße,
Jana
Liebe Jana,
vielen Dank für diese sehr spannenden Ausführen. Ich erkenne mich selbst auf jeden Fall in einigen Punkten wieder und glaube, du hast da durchaus einige Punkte sehr gut getroffen.
Bei mir hat sich die Pornosucht entwickelt, als ich in eine neue Stadt gezogen bin und sich meine damalige Beziehung plötzlich in eine Fernbeziehung verwandelt hat. Die fehlende Nähe und Intimität, die ich sonst mit meiner damaligen Freundin geteilt habe konnte ich so plötzlich nicht mehr ausleben und weil ich auch sonst noch relativ wenige Menschen in der neuen Stadt kannte, habe ich mich häufig einsam und allein gefühlt.

Diese Leere und Einsamkeit in meinem Leben habe ich dann versucht, mit Gras und Pornos zu schließen, was sich, wie du es beschrieben hast, zuerst auch als sehr befreiend und wohltuend angefühlt hat. Irgendwann wurde diese Befriedigung aber immer weniger und alles was übrig geblieben ist, war die Sucht und die Unfähigkeit, anders bzw. gesünder mit emotionalen Krisen bzw. Einsamkeit und Langeweile umzugehen.
Lieber Freddy,
Danke für die Antwort und den Einblick in deine Vergangenheit. Ich habe gerade etwas nachgelesen, was du so geschrieben hast und werde im entsprechenden Thread auch noch was dazu schreiben.
War der Umzug, als du angefangen hast zu studieren? Bist du da dann von zu Hause ausgezogen?

Mit Nähe und Intimität ist in erster Linie eine emotionale, keine physische gemeint. Genauso bei Einsamkeit. Einsam kann man sich auch in einem Raum mit vielen Menschen fühlen. Weißt du, wie ich meine?
Natürlich schließt das eine das andere auch nicht aus, im Gegenteil. Wenn man alleine ist, fühlen sich viele Menschen eher einsam als in Gesellschaft...

Was ich mir bei dir auch gut vorstellen kann (und ich kenne das selbst aus dem Studium), ist der Umgang mit der vielen unstrukturierten Zeit, die man sich selbst einteilen darf/muss.

Ich finde es super, dass du so sehr versuchst, aufzuhören und irgendwo hast du glaube ich auch geschrieben, dass man die Ursachen zusammen mit der Abstinenz angehen sollte oder so ähnlich (sorry, falls ich mich vertue).
So wie ich das verstanden habe, kommen die Gefühle erst dann, wenn man einige Zeit "weg vom Stoff" ist. Denn wie oben beschrieben dient das Ausagieren ja dazu, die eigentlichen Probleme zu verdrängen.
Liebe Jana,
ja genau, der Umzug war nach dem Abi, wo ich in eine andere Stadt gezogen bin, um zu studieren. Das mit dem Zeiteinteilen ist auf jeden Fall auch ein wichtiger Punkt, wobei ich damit nie so wirklich Probleme hatte. Ich hatte von 8-20 Uhr eigentlich sogar immer sehr strukturierte Tage und habe auch meinen ganzen Uni-Shit immer gut hingekriegt.
Problematisch wurde es dann eigentlich immer erst abends, wenn alles erledigt war und ich nicht wusste, wie ich den Abend jetzt gut verbringen, also mir etwas gutes tun bzw. mich regenerien kann, Dann kam oftmals der Impuls hoch, Pornos zu schauen und dem habe ich sehr häufig nachgegeben.

Diese Differenzierung zwischen emotionaler und physischer Intimität würde ich glaube ich nur bedingt teilen, für mich hängt das glaube ich viel zusammen, wobei ich auch nicht sagen kann, ob das etwas ist, was einfach von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist, wie das wahrgenommen wird, oder ob das auch eine Auswirkung von Pornographie ist, dass Intimität vor allem auf der körperlichen Ebene gesehen wird.

Ich denke zu diesem Zeitpunkt kam bei mir auch beides ein bisschen zusammen. Die (erst räumliche, später dann auch die emotionale) Trennung von meiner damaligen Freundin, das alleine sein in einer fremden Stadt usw. Ich habe mich damals glaube ich auf beiden Ebenen einsam gefühlt und das eben versucht, mit Pornografie zu füllen.

In meiner Therapie habe ich den Leitsatz gehört: "Erst die Sucht, dann die Therapie", will heißen, bevor ein Mensch sich mit den tiefer liegenden Problemen und den Ursachen einer Sucht beschäftigen kann, muss diese Sucht zuerst überwunden werden. Ansonsten ist das Suchtmittel immer stärker, als jeder Therapieansatz. Insofern würde ich dir da total zustimmen.
Und ich merke das auch gerade total bei mir selber. Jeden Tag, den ich von den Pornos weg bin, komme ich ein kleines Stück näher zu mir selbst und meinen Gefühlen und kann jetzt überhaupt erst Ursachenforschung betreiben.

Leider habe ich das erst jetzt verstanden und bin das Problem lange Zeit von der falschen Seite aus angegangen und habe gedacht, wenn ich erst die Ursachen für meine Sucht erkannt und beseitigt habe, dann erledigt sich die Sucht von ganz allein. Aber in meiner Erfahrung klappt es auf diesem Weg nicht, weil die Sucht eben eine effektive Ursachenbekämpfung verhindert.
Hallo lieber Freddy,

du machst also schon eine Therapie? Was sagt denn dein*e Therapeut*in so allgemein dazu?
Ich finde es so toll, dass du schon so viele Schritte gegangen bist und gewagt hast! Darauf kannst du richtig stolz sein, finde ich!
Ich bin überzeugt davon, dass du es schaffst!

Wie war das denn dann mit deiner neuen Freundin? Da hast du doch wieder physische und emotionale Nähe und Intimität erlebt..?
Wahrscheinlich hast du recht und die Trennung von physisch und emotional ist sehr individuell.
Es ist eben auffällig, dass viele dieser Sucht verfallen oder in ihr verhaften, obwohl (oder gerade weil) sie in einer Beziehung/Ehe sind und sich nicht wirklich öffnen können..
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass das auch mit dem gesellschaftlichen Bild des Mannes zu tun hat. So von wegen man(n) redet nicht über Gefühle, darf sich nicht schwach oder verletzlich zeigen usw.

Wenn das Bedürfnis nach Nähe und Intimität bei dir emotional durch die physische Komponente gestillt wird, ist das auf jeden Fall ja mal ein gutes Zeichen und heißt, dass du andere "rein lassen" kannst und daran schon mal nicht zu arbeiten brauchst.

Genau so wie du das beschreibst, habe ich es auch verstanden: Erst wenn das süchtige Ausagieren überwunden ist, können Gefühle hochkommen und es kann sich um diese gekümmert werden. Es hört sich ja sehr so an, dass da auch schon was passiert, was sehr erfreulich ist. Jedes Gefühl, egal ob positiv oder negativ, ist ein Geschenk. Ohne die negativen gibt es keine positiven Emotionen und sie zeigen, dass wir Menschen sind und lassen uns das Leben spüren. Klingt cheesy, i know, ist aber so. Sage mir das auch immer mal wieder selbst. Vor allem momentan, wo meine Gefühlswelt ein absolutes Chaos ist und ich innerhalb von Sekunden von glücklich zu wütend oder traurig wechseln muss (ich schreibe hier bewusst "muss", weil ich es nicht kontrollieren kann).

Jetzt schau ich mal noch nach deinen Beiträgen und schreibe da noch was.. Bis gleich.
Hallo Jana,
mit meinem Therapeuten habe ich auch schon relativ viel über Pornosucht und auch die dahinterliegenden Motivationen und Beweggründe geredet und vieles von dem, was ich aus den Gesprächen mit ihm mitgenommen habe, sind in meine Beiträge in Forum auch schon eingeflossen.
Im allgemeinen vertritt er da aber sehr ähnliche Ansichten wie die, die du in deinem Anfangspost beschrieben hast. Mehr kann ich dazu aber gerade nicht so richtig sagen, er hat mir jetzt nie einen "Vortrag" oder so gehalten, über das was bei Pornosucht passiert. Im Moment geht es in unseren Gesprächen vor allem viel darum, zu lernen sich wieder selbst zu akzeptieren und vor allem auch seine Sexualität so zu akzeptieren wie sie ist, insbesondere auch wie sie eventuell durch den Pornokonsum geworden ist.
Ein Gehirn ist eben doch kein Computer, den man einfach mal so plattmachen und dann ein neues Betriebssystem aufsetzen kann. Viel mehr sollte es darum gehen, die Sexualität, die man jetzt entwickelt hat oder die sich auch schon davor entwickelt hat und dann durch Pornos beeinflusst wurde zu akzeptieren und in ein funktionierendes Selbstkonzept zu integrieren. Das ist zumindest das, was ich da gerade so draus mitgenommen habe.

Als ich dann mit meiner neuen Freundin zusammengekommen bin, hat sich das mit dem Pornokonsum erst einmal eine Weile sehr reduziert oder ich habe damit tatsächlich ganz aufgehört, das weiß ich nicht mehr so genau. Ich glaube am Anfang einer Beziehung ist dieses Gefühl von Verliebtheit einfach so stark, dass es viele andere Gefühle überdeckt und man sich nur auf die andere Person konzentriert. Aber mit der Zeit geht dieses krasse "Verliebtheitsgefühl" eben vorbei und weicht einem Gefühl von Nähe und Vertrautheit und in gewisser Form auch einem Beziehungsalltag mit Konflikten und Streitigkeiten und ab da wurde der Pornokonsum auch wieder mehr. Ich habe diese Sucht eben mit in die Beziehung genommen und sobald die Beziehung anfängt alltäglich zu werden (was glaube ich ein Stück weit normal ist) kommt eben auch die alltägliche Sucht zurück.

Es ist glaube ich eine Illusion, dass es reicht, einfach eine Person zu finden, mit der wieder ein Ausleben von analoger Sexualität möglich ist, weil Sucht einfach extrem stark ist und man sich sehr aktiv damit beschäftigen muss, um sie wieder loszuwerden. Und kein*e Partner*in ist von sich aus stark genug, um diese Sucht quasi überflüssig zu machen. Ich glaube, dass muss immer von der süchtigen Person selbst ausgehen.

Und ja ich glaube Männlichkeit und die fehlende Kompetenz über Gefühle zu sprechen, sich selbst auch verletzlich zu machen, indem man sich selbst und auch seine*r Partner*in bzw. Freund*innen eingesteht, dass man Pornosüchtig ist, ist ein großer Teil des Problems und hindert viele Männer daran, diese Sucht aktiv anzugehen. Mir selbst stand es auf jeden Fall auch sehr lange im weg und ich musste das sehr aktiv lernen, mich mit meiner eigenen Gefühlswelt auseinanderzusetzen.

Und was du geschrieben hast, über Gefühle als Geschenk und dass negative Emotionen zum Leben dazugehören, würde ich zu 100% unterschreiben und finde auch nicht, dass es cheesy klingt. Wenn man nichts fühlt, dann ist man halt immer gleich gelaunt bzw. kontrolliert seine Gefühle soweit, dass man sich in einem sehr schmalen Bereich der Gefühlswelt aufhält. Aber wenn es keine Täler in einem Gelände gibt, dann gibt es halt auch keine Berge, wo man dem Himmel nahe kommen kann. Dann ist man halt einfach auf dem flachen Land und da passiert über große Flächen einfach gar nichts und alles sieht gleich aus (Besucht mal Meckpomm wenn ihr mir nicht glaubt Wink).
Hey Freddy,

dein Psychologe klingt gut. Leider gibt es ja auch recht viele, die anders über diese ganze Sache denken bzw. einfach keine Ahnung haben und sich auch nicht weiterbilden wollen auf dem Gebiet...
Dass er dir keinen Vortrag hält, ist logisch und gut... Ich meinte mit der Frage auch eher, ob ihr da in den Gesprächen schon auf irgendwas gekommmen seid. Dies hast du ja in anderen Posts beantwortet.
Die Sexualität so zu akzeptieren, wie sie durch den Pornokonsum geworden ist... Hm ich finde, das kommt sehr darauf an. Bei dir scheint das in dem Fall ja nicht zu Paraphilien geführt zu haben oder ähnlichem und wenn du sie dennoch genießen kannst und deine Freundin (oder irgendwann eine andere Partnerin) auch, spricht da wohl nichts dagegen. Bei vielen anderen ist das wahrscheinlich keine Option, da es durch die "Dosissteigerung" bei manch einem krasse Formen annimmt.
Und klar ist ein Gehirn kein Computer, "neu verdrahten" kann es sich allerdings durchaus! Das ist ja auch das Ziel der berühmten 90 Tage.

Danke für den Einblick in deine Geschichte mit deiner Freundin, da hast du natürlich absolut recht. Wenn die Sucht sich davor schon manifestiert hatte, bleibt sie nicht einfach weg, weil sie ein toller Mensch ist. Leider.

Das sich anderen gegenüber öffnen ist garantiert ein wichtiger Teil des Prozesses.

Ich finde, du bist wahnsinnig mutig und ich bin mir sicher, dass du auf einem guten Weg bist...
Du kannst außerdem echt froh und stolz sein, das Problem so früh erkannt zu haben und nun daran zu arbeiten...!