06.06.2021, 09:12
Hallo,
Ich danke für die Geduld beim Lesen und den sicherlich teilweise wirren Text, aber ich musste es einfach mal irgendwo loswerden. Ein Forum von Menschen, denen es ähnlich geht, bringt im Ernstfall mehr Verständnis auf als nicht betroffene Freundinnen oder Geschwister...
seit einigen Monaten verfolge ich das Forum mehr oder weniger regelmäßig und stelle fest, dass ich weiß Gott nicht alleine bin. Nun habe ich mich angemeldet, um alles mal loszuwerden. Ich bitte daher um Verständnis für den langen Text.
Mein Mann und ich haben uns in der Schule kennengelernt und sind seit fast 40 Jahren verheiratet. Vor einem guten Jahr habe ich mich von ihm getrennt – Auslöser ist das wiederholte Versinken im Pornosumpf und die damit verbundenen Lügen und Ausreden. Das Maß ist voll gewesen, das Vertrauen wiederholt zerstört. Da wir ein gemeinsames großes Haus haben, leben wir – weil wir es beide nicht verlieren möchten – mehr oder weniger getrennt darin. D. h. getrennte Schlafzimmer und Bäder, die Mahlzeiten nehmen wir meist gemeinsam ein. Sprechen tun wir allerdings wenig miteinander.
Nach der Trennung hatte ich begonnen, mich nach einem kleinen alten Reihenhaus umzusehen, weil ich auf einen Garten nach so vielen Jahren nicht mehr verzichten möchte, es müsste auch die Möglichkeit bestehen, meine umfangreiche Kakteensammlung mit dem Gewächshaus mitzunehmen. Ich hatte auch schon Verkaufsverhandlungen in unmittelbarer Umgebung bei meiner Schwester aufgenommen, das Haus fiel dann allerdings an jemand anders. Letztlich haben sowohl mein Mann als auch ich festgestellt, dass jeder von uns unser Haus nicht missen möchte. Daher die Einigung auf die Trennung im gemeinsamen Haus. Das geht natürlich nicht ohne Schmerzen, schön ist etwas anderes. Aber im Moment kommen wir damit mehr oder weniger klar. Ich sehe auch nicht ein, warum alles, was ich mühsam aufgebaut und eingerichtet habe – sehr viele Eigenleistungen in Haus und Garten, der jetzt nach 20 Jahren erst richtig schön ist – nun verloren gehen soll. Mein Leben lasse ich mir nicht so ohne weiteres wegnehmen.
Dass mein Mann pornosüchtig ist, ist vor etwa 8 Jahren klar geworden. Nach einer exzessiven Pornophase, wo ich erstmalig mit Trennung gedroht habe und ihn aus dem gemeinsamen Schlafzimmer geworfen habe, hat er sich im Internet informiert und das erste Mal eingesehen, dass er da wohl ein Suchtproblem hat. Wir haben dann eine Online-Beratung durch Gabriele Farke vom Verein HSO mitgemacht mit dem Ergebnis, dass wir uns ganz langsam wieder angenähert haben und es noch einmal miteinander versucht haben. Da er seine Pornosucht auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, die dahintersteckt, zurückgeführt hat, hat er damals begleitend eine Psychotherapie gemacht, die anfänglich auch sehr gut angeschlagen hat. Kurz vor Beendigung der Therapie (nach knapp 2 Jahren) ist dann bei ihm eine chronische Nierenentzündung mit umfangreicher Medikation, die zu allerlei Nebenwirkungen führten und führen, festgestellt worden, die ihn nach seinen Aussagen wieder in alte Pfade zurückgeführt hat. Inzwischen ist eine deutliche Depression aufgetreten, die es ihm schwer macht, außerhalb der Arbeit im Home Office noch irgend- etwas anderes zu tun – er behauptet, diese Depression hätte er seit der Schulzeit, sie hätte sich jetzt allerdings deutlich verstärkt. Er steckt nach wie vor tief in der Pornosucht und erwägt, einen stationären Aufenthalt in einer Suchtklinik zu erwirken, da er nach seiner Aussage alleine nicht herausfinden wird. Er besucht aber auch seit etwa einem Dreivierteljahr eine Sucht-Selbsthilfegruppe und ist wieder in Psychotherapie. Zur Depressions-Medikation hat er auch einen Psychiater hinzugezogen.
Seiner Aussage nach war er bereits bevor wir uns kennenlernten pornosüchtig. Zwischen den Exzessiv-Phasen gab es aber immer längere „trockene“ Phasen. Früher im Rahmen der Zeitschriften ist das Ganze nie so ausgeartet. Seit Einführung des Internets und vor allem auch des Handys sind die Exzesse allerdings deutlich sichtbar geworden, anders als früher, wo alles in kompletter Heimlichkeit ausgelebt werden konnte. Die Pornosucht hat sich natürlich auch im Sex zwischen uns deutlich bemerkbar gemacht. Was zunächst mit ständig neuer Reizwäsche begann, wurde zu immer häufigerem Ausprobieren neuer Praktiken, die teilweise sehr schmerzhaft waren. Dazu hatte ich in den letzten Monaten vor der Trennung nur noch das Gefühl, beim Sex mit ihm nicht existent zu sein, es existierten wohl nur noch innere Pornobilder. Meine Wünsche beim Sex waren für ihn ohnehin nicht erregend, nur das, was er sich vorgestellt hat. Das Ganze mit entsprechend zunehmenden Problemen, die Erektion zu halten. Ich als diejenige, die in unserer Partnerschaft eher hinter Sex mit ihm hinterherlief, hatte zum Schluss keine Lust mehr, das ganze Spiel mitzumachen…
Natürlich habe ich mich gefragt: Warum hast Du Dir das so lange gefallen lassen? Das erste Mal, als ich das Gefühl hatte, hier stimmt etwas nicht, war vor ungefähr 15 Jahren. Vorher war ich sehr intensiv mit unserem ersten Kind (kompliziert schwerbehindert) beschäftigt gewesen – wir sind viele Jahre Diagnosen hinterhergelaufen und danach dann, Therapien, Beschulungsmöglichkeiten, berufliche Entwicklung, Auszug etc. Ich denke, das hat es mir unmöglich gemacht, von den Heimlichkeiten viel mitzubekommen. Erst dann – nach dem Auffinden von Unmengen von Material auf dem gemeinsam genutzten PC – habe ich gemerkt, dass da etwas anderes als „normaler Pornokonsum“ vorliegen muss. Ab und zu war ich misstrauisch geworden – mein Mann versicherte mir allerdings immer wieder, ich würde mir was einbilden; so lange, bis ich das selbst geglaubt habe…
Aber erst nach dem Auszug des schwerbehinderten Kindes in eine ambulant betreute Wohnung war genügend Luft vorhanden, um sich mit Partnerschaftsproblemen zu befassen. Das Leben war immer voll mit anderem – 2 x gebaut mit vielen Eigenleistungen, 2 Kinder, davon der älteste mit der Schwerbehinderung, beide Eltern krank und mussten unterstützt werden, und arbeiten (teilweise Vollzeit bis zum Burnout, teilweise Teilzeit) auch noch. Dazu habe ich im Laufe der Jahre immer mehr Arbeiten übernommen „in vorauseilendem Gehorsam“, weil mein Mann dazu neigt, Aufgaben zu verschusseln, liegenzulassen, etc.
Vieles ist mir erst in den letzten Jahren klar geworden. An seinem Leben habe ich nur wenig Anteil haben dürfen. Oft hat er sich am Wochenende den ganzen Tag in sein Arbeitszimmer an den Computer zurückgezogen. Da mit Einführung der Digitalfotografie Tausende von Fotos bearbeitet und „perfektioniert“ werden mussten, was die Zeit von einer Reise zur nächsten in Anspruch nahm, ist natürlich nie Zeit gewesen, um etwas „für uns“ zu machen. Einen gemeinsamen Feierabend einzurichten war vor 8 Jahren im Rahmen der Online-Beratung ein echter Akt, weil ja vor 22.30 Uhr keine Zeit dafür war… Und ob in der ganzen Zeit wirklich nur an den Fotos gearbeitet wurde oder sonstwas am Computer passierte – woher sollte ich das wissen? Versuche von mir, über mein Problem mit dieser Lebensweise zu sprechen, wurden mit Schweigen und Rückzug honoriert. Offenbar ist hier eine extreme Angst vorherrschend, dass irgendjemand über sein Leben bestimmen wollte. Das war im Elternhaus wohl massiv vorgekommen. Dieses Verhalten hat aber auch dazu geführt, dass ich irgendwann resigniert habe und mir letztlich eine eigene Welt, ein eigenes Leben aufgebaut habe. Letztlich haben wir schon lange nebeneinander her gelebt. Trotzdem kann man so viele Jahre nicht einfach über Bord werfen, und wenn es nur ein Kümmern aus Mitleid ist. Irgendwann ist der Punkt überwunden, wo man noch einmal neu anfangen kann, und man richtet sich ein mit allem.
Nach meinen Erfahrungen kann ich jüngeren Frauen nur raten, sich gut zu überlegen, ob man den Rest seines Lebens in solch einer desolaten Partnerschaft steckenbleiben will. Gerade wenn man noch nicht so viele gemeinsame Jahre hinter sich hat und so einiges passiert ist (im Forum ja immer wieder zu lesen!), lohnt es sich immer, noch einmal neu anzufangen. Es mag sein, dass es Männer gibt, die sehr viel offener mit dieser Problematik umgehen und auch insgesamt viel kommunikativer sind und die ernsthaft an ihrer Partnerschaft arbeiten. Hier sage ich: Hut ab! Nur so geht es überhaupt. In jedem Fall sind Rückfälle in Exzessivphasen, sofern sie nicht offen kommuniziert werden, mit Heimlichkeiten und Lügen verbunden. Und das ist das Verletzendste, was passieren kann. Wenn das Vertrauen erst einmal zerstört ist, lässt es sich nur sehr schwer wieder herstellen.Ich danke für die Geduld beim Lesen und den sicherlich teilweise wirren Text, aber ich musste es einfach mal irgendwo loswerden. Ein Forum von Menschen, denen es ähnlich geht, bringt im Ernstfall mehr Verständnis auf als nicht betroffene Freundinnen oder Geschwister...