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Es ist vorbei...
#1
Hey zusammen,

kurz zu mir. Ich war, wie wahrscheinlich die meisten die hier im Forum ihr leid schildern, Pornosüchtig. Warum sage ich "war"? Weil ich es nichtmehr bin, aber dazu gleich mehr.

Angemeldet habe ich mich in diesem Forum vor 2 Jahren. Nach anfänglicher Euphorie musste ich doch schnell feststellen, dass ich tiefer in dem Pornosumpf steckte als mir lieb war, und so folgte Rückfall auf Rückfall. Einige werden es sicher kennen, dass man irgendwann an den Punkt gelangt, an dem man sich sagt "Scheiss drauf, ich schaffs einfach nicht...". Das ist der Punkt, an dem der letzte Teil der Mauer aus Willenskraft dahinbröckelt, die man sich zuvor so wehement aufgebaut hat.

So ging es bis bis zum 19. November letzten Jahres. Nach einem erneuten, mehrstündigem Porno- und Masturbationsmarathon, saß ich an meinem Schreibtisch und konnte einfach nichtmehr. Seit so langer Zeit versuchte ich es nun, und wurde doch immer wieder rückfällig. Wie konnte das sein? Wie können einen diese Filme und Fotos so in ihren Bann ziehen? Woher kommt immerzu diese innere Stimme, die einem eine Ausrede nach der anderen auftischt. "Ein Film wird schon nicht weh tun" , "Ach komm, nur mal schnell schauen, was es neues gibt und dann machstes wieder aus, alles gut, du hast das unter Kontrolle". Ich konnte die Tränen nicht aufhalten. Es tat einfach nur weh, sich einzugestehen, dass man es schonwieder nicht geschafft hatte. Dabei kannte ich das alles doch schon von meiner Zeit als Raucher. Ich hatte mit 12 Jahren angefangen und bis zu meinem 24. Lebensjahr mehr als eine Schachtel geraucht. Natürlich hatte ich auch dort mehrere Versuche hinter mir, mit der "Gewohnheit" zu brechen, wo die gleichen obig beschriebenen Gedanken auftraten. "Eine Zigarette, da is doch wirklich nichts dabei" , "Ach komm ich zieh nen paar mal, aber nur wenn ich Bier trinke!". Ich muss natürlich nicht dazu sagen, dass mein Bierkonsum in der Zeit ins unermessliche stieg...

Jedenfalls traf ich am selbigen Abend noch den Entschluss, dass jetzt ein für alle mal Schluss sei. Aber Moment... genau das hatte ich die letzten Male doch auch immer gesagt. Weshalb sollte es dieses mal anders sein? Ich musste etwas verändern. Ein Zitat von dem großen Albert Einstein kam mir in den Sinn. "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." Was aber konnte ich dieses mal anders machen? Per Zufall hatte ich ein paar Tage zuvor auf Facebook eine Werbeanzeige von einem sogenanntem Erfolgstagebuch gesehen. Ich dachte "Nagut, schaden kann es nicht". Da es aber nicht das war, was ich suchte, machte ich mich die nächsten zwei Tage daran, mir selbst ein paar Zeilen aufzuschreiben, die ich jeden Tag ausfüllen wollte. Ich fing an, meine Ziele aufzuschreiben. Alles, was ich sonst immer nur in Gedanken durchspielt habe, brachte ich jeden Tag zu Papier. Ich wollte mit dem Studium vorrankommen. Ich wollte wieder mehr Musik machen, neue Stücke lernen. Mehr Sport treiben. Ich wollte wieder Selbstbewusst sein, mir selbst vertrauen. Ich wollte wieder glücklich sein...

Ich tastete mich langsam vorran. Setzte mir kleine Ziele. 20 Minuten Vorlesung wiederholen. Jeden Tag 10 Minuten ein neues Klavierstück einüben, 5 Minuten aus dem halbfertiggelesenem Buch lesen, was seit einem Jahr in der Ecke liegt. Bestanden meine Tage zuvor nur aus Vorlesung (wenn ich denn mal hinging), Zocken und Pornos, füllte sich mein Tag nun langsam aber sicher mit produktiven Dingen. Ich merkte, wie ich von Tag zu Tag zufriedener wurde. Ich steckte mir Wochenziele und schrieb jeden Tag auf, was ich machen wollte um diesen Zielen näher zu kommen. Am Ende der Woche, konnte ich erreichte Ziele abhaken, was für ein Gefühl, endlich nicht mehr auf der Stelle zu stehen!
Nach 3 Wochen wurde mir klar, es waren nicht nur die Pornos, die mein Leben zerstörten, sondern mein Verhalten, meine wertvolle Zeit mit irgendeinem Müll zu vergeuden.

Ich hatte es so satt, mich immerzu selbst zu enttäuschen.
Ich denke jeder kennt eine Person, die immerzu sagt "Ich mach dies das und Jenes", nur um sich dann eine Ausrede nach der anderen einfallen zu lassen, um es doch nicht zu machen. Was denkt man wohl das nächste mal, wenn die Person eine Versprechung macht? Genau, "du Pappnase, das hälst du doch eh nicht ein". Genau das war ich, mir gegenüber. Jahre lang hatte ich mir selbst Versprechungen gemacht und die wenigstens davon eingehalten. Auch dachte ich ständig darüber nach, was andere denken würden. Ich versuchte meine Gefühle so gut es ging zu verstecken und zu unterdrücken. Möglichst neutral, niemand sollte erkennen können wie ich mich gerade fühle, selbst wenn ich mal halbwegs glücklich war!

Mit jedem Tag der Verging, und jedem Zwischenziel, dass ich abhaken konnte, wuchs mein Selbstvertrauen. Ich war an dem Punkt wo ich wusste, wenn ich mir etwas vornehme, dann mache ich das auch. Nach so langer Zeit ein absolut tolles Gefühl, sich wieder auf sich selbst verlassen zu können.

Es sind nun Knapp 8 Wochen vergangen, und mein Leben hat sich im warsten Sinne des Wortes um 180° gedreht. Neben meinem Studium arbeite ich jetzt bei einem großen mittelständischem Unternehmen als Werkstudent. Ich stehe jeden Morgen um 5:15 auf, damit ich pünktlich um 6 Uhr im Fitnessstudio sein kann. Ich habe einen Youtube Channel aufgemacht (was ich schon lange vorhatte, aber aus Angst mich der Kritik anderer Menschen auszusetzen nicht getan habe) wo ich ein bisschen Musik mache (an dieser Stelle ein klein wenig Eigenwerbung, wenns okay ist. Wenns euch gefällt lasst ein like da : https://www.youtube.com/channel/UCvlVRgW...subscriber). Bin ich der größte Sänger oder Klavierspieler oder will ich damit berühmt werden? Um Gottes Willen - nein. Macht mir die Sache Spaß? Verdammt nochmal ja! Neben Studium, Arbeit, Musik und meiner (mittlerweile, seit dem 21.12, zieht eure Schlüsse Wink ) Verlobten, arbeitete ich weiter an meinem Wochentagebuch. Die letzten Wochen war ich produktiver als die vergangenen 5 Jahre zusammen... der Punkt ist: man könnte sagen, ich lenkte mich nur von der Sucht ab. Aber es ist genau das Gegenteil der Fall! Die Sucht hat mich von meinem Leben, wie ich es mir vorstelle, und mit den Erwartungen die ich an mich selbst stelle, abgehalten.
Ich arbeitete weiter jeden Tag an meiner Einstellung. Fokussierte mich auf das Positive. Ich entschied mich aktiv dafür, wieder glücklich zu sein! Es gibt so viel schönes in dieser Welt, und mit jedem Tag erfuhr ich mehr davon. Nun ist mein Tag vollgepackt mit produktiven Dingen, und obwohl ich so viel mehr mache als vorher, habe ich mich noch nie so lebendig und voller Energie gefühlt.

Bei allen Versuchen vorher, hatte ich immer nur den Konsum gestoppt und irgendwie gehofft, ich würde eines Morgens aufwachen und alles ist anders. Ich wäre zufrieden. Ich wäre glücklich. Und ich wäre von der Pornosucht geheilt. Ich habe immer einfach nur darauf gewartet, dass etwas passiert! Aber das tat es natürlich nicht...

Vor ein paar Tagen dann, als ich wie mittlerweile jeden Abend vor meinem Journal saß und mir überlegte, was ich für den heutigen Tag in die Zeile "dafür bin ich heute dankbar" eintragen wollte, überkam mich am ganzen Körper Gänsehaut. Eine unfassbare innere Ruhe kehrte in mir ein. Ein Gefühl von purem Glück und Dankbarkeit, dass ich seit Jahren nichtmehr gefühlt hatte. So intensiv. Das muss das Gefühl gewesen sein, das Allan Carr in seinem berühmten Buch "Endlich Nichtraucher" als den Moment der Freiheit beschreibt. Und wieder kullerten die Tränen. Aber dieses mal nicht aus Trauer oder Wut über mich selbst, sondern über die Freude darüber, dass ich endlich meine Erwartungen an mich selbst erfüllte. In dem Moment wusste ich, dass ich NIE wieder süchtig nach Pornos werde.

Ich weis nicht was die Zukunft bringen mag. Was ich weis ist, dass ich endlich wieder auf dem richtigen Weg bin. Auf meinem Weg.

Beste Grüße, Zef

PS:
Sorry für den langen Text. Worauf ich hinaus will ist, dass der Pornokonsum ansich bei vielen einen Grund hat. Genau wie jede andere Droge auch. Ich kann nur jedem ans Herz legen, nicht einfach darauf zu warten, dass mit dem Stop des Konsums etwas passiert, sondern gleichzeitig selbst aktiv zu werden. Schafft gleichzeitig das aus der Welt, vor dem ihr mit dem Pornokonsum versucht zu flüchten. Dann ist die Sucht kein Thema mehr...

PPS:
Mittlerweile ist aus den anfänglich losen Zetteln des Journals ein richtiges kleines Heft mit Erklärungen, Texten und Platz für 3 Wochen lang Buch führen geworden. Mir hat das Ganze sehr geholfen, und das tut es immernoch. 2 Exemplare habe ich noch übrig, falls jemand ernsthaft Interesse hat, kann er mir gerne eine PN mit seiner Geschichte und seiner Adresse senden, dann schicke ich ihm eins zu. Würde mich über Feedback freuen Smile
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#2
Hey Zefir!
Toller Beitrag. Ich freue mich sehr für dich, dass du deinen Weg gefunden hast Smile

Ich habe eine ähnliche Ausgangslage wie du (und sicherlich viele andere hier auch). Mehrere Jahre hat man nur versucht irgendwie den Konsum zu stoppen. Das einzige Ziel war, Aufhören Pornos zu gucken.
Aber Pornos sind nicht die Ursache. Die Pornosucht ist das Ergebnis von unterdrückten Emotionen und Lebensumständen, die uns in die Pornos treiben.

Es freut mich so sehr, dass du vor ein paar Tagen diesen Moment der Freiheit, wie du ihn beschreibst, erlebt hast und dein Leben richtig umstellen konntest.

"Wenn ich mir etwas vornehme, dann mach ich es auch"
Dem kann ich nur absolut zustimmen. Die Pornosucht hat so viel Willenskraft unterdrückt. Man konnte sich jede Aufgabe durch Pornogucken stunden-, tage- oder sogar wochenlang aufschieben. Vielleicht wollte man auch einfach die Angst vor dem Anfangen und dem ungewissen Ausgang unterdrücken. Man hat es sich leicht gemacht.

Aber die Kraft und Motivation, die man jetzt für Aufgaben hat. Auch mal in den sauren Apfel beißen zu müssen. Das ist auch für mich einer der positivsten Aspekte des Rebootes.

Ich wünsche dir auf diesem Weg auf jeden Fall weiterhin viel Kraft und hoffe, dass deine Lebenseinstellung immer so gut bleibt.
RedBlob

P.S. Wenn auch irgendwann mal alles schief laufen sollte und du von Zweifel oder Trauer geplagt bist, wird es dir ja vielleicht helfen an diesen Moment der Freiheit zu denken, um auch in den schwierigsten und härtesten Momenten den Pornos keine Chance zu geben.
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#3
Danke Redblob,

ja diesen Moment werde ich definitiv in meiner Erinnerung verankern...
Stimme dir voll und ganz zu, das Energielevel ist unfassbar. Meistens merkt man erst Abends im Bett, wie erschöpft man eigentlich ist. Also mit dem einschlafen hab ich keine Probleme mehr Big Grin
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