Tag 66
Hallo Liebe Mitstreiter,
ich hatte ja schon in meinem letzten Post angedeutet dass ich letzte Woche sehr starkes Verlangen verspürte und kurz vor einem Rückfall war. Nun, habe ich einen gehabt? Bin ich schwach geworden und habe aufgegeben in den Stunden der Wahrheit? Es ist immer leicht wenn es gut läuft aber in den harten Zeiten zeigt sich die wahre Stärke des Geistes. Ist mein Geist stark und kann sich selbst heilen oder ist er ein Spielball und Opfer des Unterbewusstseins? Was habe ich getan in diesen harten Stunden und wie konnte die Sucht mich überhaupt nach so langer Zeit wieder so stark bekämpfen? Dazu habe ich folgendes zu sagen:
Zunächst einmal, ICH BIN STABIL GEBLIEBEN und mein Geist hat sich mit allem was er hatte gewehrt und hat den Kampf gewonnen.
Mehr zu der Situation der letzten Woche folgt im nächsten Post.
Tag 66
Da bin ich wieder,
Also, in meiner Urlaubswoche hatte ich für ca 4 Tage wirklich heftigste cravings. Ich habe mehrmals den namen meiner Lieblingsseiten in die Suchbegriffleiste eingegeben aber habe sie kein einziges mal geöffnet. Woher kamen diese plötzlichen, starken cravings? Ich wurde getriggert. Der erste trigger war auf Facebook. in der Timeline hat ein Bekannter ein Video gepostet dass einen Vorspann eines Pornos zeigte. Die Frau war super sexy und trank auf dem Boden kniend aus einer Schale Milch. Dabei trug sie ein Halsband mit Leine dran und war wie ein Tiger bemalt. Der Bekannte postete: "Hat jemand meine entlaufene Katze gesehen?
" Das Video lief in Slow Motion und hat mich hart getriggert. Das man sowas auf Facebook sieht ist echt unwirklich. Porno ist gesellschaftsfähig und ich weiß nicht wie ich vor meinem Reboot auf das Video reagiert hätte. Wahrscheinlich wäre es mir gar nicht groß aufgefallen weil mein Hirn sowieso Porno war und dieses Video so gut wie kein verlangen ausgelöst hätte. Damals (vor gut 2 Monaten) hätte ich schon was härteres gebraucht um mich zu elektrisieren. Das ist nun vollkommen anders. Mich erregen anscheinend schon sehr harmlose Sachen wieder. Sehr gut.
Okay meine Gedanken kreisten also seitdem stärker um Pornos als vorher und ich hatte viele Szenen im Kopf. Am nächsten Tag traf ich meine Affäre und wir haben uns ausgetobt. Sie erzählte mir eher nebensächlich von einer Website in der sich Leute mit dem selben Fetisch kennen lernen können. Sie hatte dort mal rein geschaut und fand es ganz interessant. Ich poste den Namen der Seite hier nicht, weil sie mir als weiterer Trigger den Reboot verkompliziert hat und ich nicht will dass es anderen Neugierigen hier ebenfalls passiert.
Wie auch immer, ich bin am Abend dann per Handy auf diese Seite gegangen und habe mich auch angemeldet um zu sehen ob es in meiner Umgebung Leute gibt, die den selben Fetisch haben wie ich. Ich habe mir Profile von Frauen angesehen und deren Beschreibungen. Sie schrieben was Sie gerne machen oder machen würden und auch in meiner Fetisch Kategorie gab es einiges zu lesen und auch Bilder von Frauen zu sehen von denen einige Pornographisch waren. Ich war die ganze Zeit stark erregt und mir wurde nach einer Weile bewusst dass es Gift für meinen Reboot ist, mich mit dem Thema und dieser Seite auseinander zu setzen. Ich schloss das Portal.
Dennoch war ich seit diesem Erlebnis extrem stark im Pornomodus. Mein Hirn konnte quasi an nichts anderes mehr denken und ich bin mehrmals bereit gewesen die entsprechenden Pornoseiten aufzurufen um zu sehen was es in meiner Fetisch Kategorie neues gibt. Ich hatte wieder diese starke innerliche Zerrissenheit, die ich schon vor meinem ersten Rückfall hatte (allererster Post dieses Tagebuches). Stunden des inneren Kampfes vergingen und ich war kurz vor dem Rückfall. In meinem Gedankenspiel ging es nicht um Pornos allgemein sondern um die potentiellen neuen Videos explizit für meinen Fetisch. Das war interessant denn ich weiß zwar um meinen Fetisch aber ich muss ihn nicht ausleben im meinem Sexleben. Ich habe es mal gemacht und es war auch für den Moment gut, aber es hat mich nicht so gereizt dass ich es nur noch so haben wollte. Im Gegenteil, während meines Reboots habe ich gemerkt dass ich mit ganz normalem Sex sehr, sehr zufrieden bin und gar nicht großartig extreme oder verbotene Phantasien auszuleben brauche um befriedigt zu sein.
Der Fetisch ist antrainiert durch jahrelangen Pornokonsum. Sein Ursprung liegt zwar ganz klar in mir und hat was mit meinem natürlichen Bedürfnis nach Liebe, Zugehörigkeit und Vertrautheit zu tun aber erst durch Pornos und sich immer steigernde Inhalte des Obszönen und Verbotenen bin ich auf Material gestoßen dass meine inneren Bedürfnisse in meiner Phantasie befriedigt . Ich habe diese Bedürfnisse im echten Leben evtl als Defizite wahrgenommen und sie mir durch entsprechende Videos künstlich in meiner Phantasie befriedigt. Das hat mich immer für den Moment sehr glücklich gemacht. Wenn Grundbedürfnisse befriedigt werden führt das nun mal zu Dopamin-Ausschüttung und somit zu einem Glücksgefühl. Ich habe mir diesen Mechanismus antrainiert und immer wenn es mir schlecht ging habe ich Pornos geschaut was mich glücklich gemacht hat. In den Stunden der harten Cravings war mir das alles nicht bewusst. Ich wurde weitestgehend von meinem Unterbewusstsein gesteuert dass nach Dopamin Glück geschrien hat weil es getriggert wurde und sich erinnert hat wie befriedigend es ist diese Filme zu sehen.
Allerdings konnte ich mich an einem Punkt befreien. Ich weiß nicht was ihn ausgelöst hat aber als ich mal wieder vor meinem Rechner saß, mit dem Ziel jetzt einfach drauf zu scheißen und die Seiten aufzurufen, habe ich aus Instinkt den Stecker gezogen, das Akku aus dem Laptop genommen und ihn in ein anderes Zimmer gebracht und mich dann ins Bett gelegt. Ich begann cooler mit der Situation umzugehen und wieder klarer zu denken. Nach einer Weile begann ich die Situation zu analysieren. Mir war klar was mich so getriggert hatte. Mein Fetisch, den ich in dem Portal erweckt hatte und der von da an meine Phantasie beanspruchte. ich begann zu ergründen woher er kommt. Was sind die ihm zu Grunde liegenden inneren Wünsche, Sehnsüchte und unbefriedigten Bedürfnisse? Ich fand heraus dass diese real sind aber teilweise weit in der Vergangenheit liegen und irrational sind. Ich fand heraus dass ich diesen Bedürfnissen die Macht entziehen kann wenn ich über sie nachdenke. Sie basieren nicht auf Vernunft sondern auf Ängsten die nicht real sind und die ich bewusst beeinflussen kann wenn ich sie mir bewusst mache. Das alles tat ich. Ich dachte viel. Schlief ein. Am nächsten Morgen war der Spuk vorbei. Die Cravings waren verschwunden. Ich hatte meine Sucht verstanden. Ich wusste warum ich explizit diese Videos sehen wollte. Mir war Bewusst welche tiefen Gefühle und Bedürfnisse sie in mir befriedigen.
Ich weiß dass, das alles was ich schreibe recht spezifisch für meinen Fall ist und ich hab keine Ahnung ob das nachvollziehbar für andere hier ist aber ich muss dieses Erlebnis für mich festhalten. mein Fetisch wird mein Unterbewusstsein auch in Zukunft wieder mal entern und ich will lernen ihn zu verstehen. Mich zu verstehen. Mir die Triebfedern hinter dem Verlangen ins Bewusstsein rufen, um dem ganzen nicht unterbewusst ausgeliefert zu sein.
Ich war so stolz dass ich in diesen Stunden einen Weg gefunden habe meine Sucht zu bekämpfen. Ich merke mehr und mehr dass man eigentlich nicht 'bekämpfen' sagen sollte. Gegen eine Sucht kämpfen bedeutet gegen sich selbst zu kämpfen. Wenn man gegen sich selbst kämpft oder zumindest gegen einen Teil von sich, kann dass zu Verletzungen führen. Man kann sich seelisch verletzen. Im einzelnen kann dass dazu führen dass man sich nicht mehr schätzt, als schwach empfindet oder als dumm. man ist in jedem Fall nicht mit sich im reinen wenn man gegen etwas in sich kämpft. Ich denke man sollte anstatt "bekämpfen" viel mehr sagen, dass man seine Sucht verstehen lernt. Sie ist ein Teil des Ichs und spielt sich meist im Unterbewusstsein ab. Wenn man sie jedoch bekämpfen möchte heißt das nichts anderes als dass man sich die Sucht ins Bewusstsein rufen muss. Man bewirkt damit dass man rational einzelne Grundlagen und Aspekte der Sucht untersuchen kann und sie dadurch versteht. Ich muss sie nicht bekämpfen wenn ich begreife dass sie eben kein Teil meines Kerns ist sondern lediglich ein Ausdruck der Wünsche und Bedürfnisse meines inneren Kerns. Wenn ich diese kenne, verstehe ich meine Sucht und kann sie als Teil von mir akzeptieren. Ich denke dass ist mein Weg.
Ich würde mich sehr über jegliche Art von Feedback freuen. Auch über kurze Zweizeiler.
Ich hoffe es geht allen hier gut und jeder ist mit sich im Reinen.
Ich wünsche euch viel Kraft.