Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Teufelskreis des Süchtigen
#1
Hallo Leute, habe heute einen interessanten Gedanken gehabt, den ich mit euch teilen möchte. Vielleicht betrifft es nur mich, aber ich hoffe, dass der eine oder andere damit etwas anfangen kann. Ich glaube, dass dies nicht nur auf die Pornosucht, sondern auf die Sucht an sich zutrifft. Nebenbei betrachte ich mich neben der Pornosucht auch als jemand, der manchmal Probleme mit exzessivem Essen, sowie generell Computersüchtig ist. Ich möchte nicht wirklich darüber diskutieren, ob sich bei Essen und Computersucht, um Süchte handelt, denn diese sind ja laut Definition sehr subjektiv, wenn man die Ursache des Konsumierens betrachtet. Viel mehr möchte ich auf zwei weit verbreitete Ansichtsweisen zur "leichteren" Bekämpfung der Sucht, d.h. Verringerung der Entzugserscheinungen, eingehen.

Meine Eltern sagten mir recht früh, dass ich Computerspielsüchtig bin, was sehr oft zu Streiterein geführt hat. Mein Eltern verbieten mir den Konsum, aber ich wiedersetzte mich oder fand andere Möglichkeiten (habe früher meine 10€ Taschengeld immer so schnell wie möglich im Internet Cafe verbraten). Worauf ich hinaus will, ist das ich schon seit sehr langer Zeit über Sucht nachdenke und was viele sicher kennen, ist die Taktik des Aufschiebens: natürlich sehe ich ein, dass XY schlecht ist, deshalb höre ich morgen auf ... . Morgen: nach einer Woche, weil ja YZ passiert. Auf diese Weise schafft man es schon seine Sorgen aufzuschieben. Aber ich gehe später noch einmal auf dieses Thema ein.
Jedenfalls wenn man sich dann aufgerafft hat, seine Sucht zu bekämpfen, versucht man sich die Entzugsphase einfacher zu machen. Deshalb meidet man Orte an denen man mit den Suchtgedanken konfrontiert wird oder meidet irgendwelche Tätigkeiten, die einen in der labilen Phase daran erinnern (z.B. geht ein Alkoholsüchtiger nicht mit seinen Freunden in die Diskothek, weil er fürchtet wieder trinken zu müssen). Bei mir habe ich erkannt, dass ich mir dann gestatte eine Ersatzdroge zu verwenden, um mir den Entzug leichter zu machen. Ich erlaube mir also kaloriereiches Essen exzessiv zu essen, weil ich ja im Entzug stecke und auf diese Weise meine Sorgen vergessen kann (ich weiss nicht ob ihr das kennt, aber wenn man sich den Magen randvoll geschlagen hat, wird man einfach müde und nickt ein oder ist in einem Zustand, in dem man höhstens zu 1% wach ist Big Grin). Oder manchmal schaue ich mir dann extrem lange irgendwelche YouTube Videos, Serien oder Fernsehsendungen an (ich verweise wieder auf den Zustand 1% Wachheit). Egal was die eigene Droge ist, es geht darum die Entzugserscheinungen zu vergessen und die schweren Zeiten möglichst leicht zu überstehen.
Die zweite Sache bezeichne ich selbst als "Henkersmahlzeit". Angeblich wurden die Opfer der Todesstrafe damals, mit einem Buffet ihrer Wahl beschenkt (oder sowas wie letztes Abendmahl ... keine Ahnung). Jedenfalls habe ich bei mir erkannt, dass ich mir, wenn ich mir das Ziel des Aufhörens gesetzt habe, auch sowas wie ein letztes Abendmahl gestatte. D.h. ich schau mir noch ein letztes Mal stundenlang Pornos an und masturbier wie ein Verrückter, bis man einfach nicht mehr kann ... . Das selbe hatte ich früher auch mit meiner Zigarettensucht: ja natürlich höre ich morgen auf, aber heute rauche ich wie ich Lust habe. Typischer Schwachsinn des Aufschiebens: Warum sollte man, wenn man die Entscheidung getroffen hatte aufzuhören, weil es einem gewaltige Probleme im Leben bereitet, sich die Erlaubnis geben, die Ursache des Übels für nur noch einmal oder bis zu dem Ereignis XY gestatten, so als wäre es ein Verlust aufzuhören, so als ob man etwas gutes aufgibt ... Finde das ziemlich verlogen, doch benutze ich diese Ausreden seit Jahren.

Schlimmer kommt es allerdings wenn ich diese beiden "Gewohnheiten" mit einander verknüpfe und somit einen Teufelskreis des Versagens aufziehe. Was also bedeutet dies? Hier mal anhand eines Beispiels: ich bin süchtig von A und B. Um mit A aufzuhören, erlaube ich mir im Entzugszeitraum B zu nehmen und um mit B aufzuhören, erlaube ich mir gegebenenfalls A zu konsumieren. Gut das klingt ja zunächst nicht so schlimm, wenn man bedenkt, dass man das Problem lösen könnte, wenn man mit A und B gleichzeitig aufhört. Aber nach irgendeiner Zeit wird man beispielsweise Rückfällig mit A. Das bedeutet, dass man quasi von vorne aufhört und somit eine neue Henkersmahlzeit erlaubt ist. Trotzdem fällt es einem noch schwieriger als sonst, weil man ja diesemal nicht Hilfe der Ersatzdroge B substituieren kann. Schwächt also auch irgendwie die Konsistenz des Aufhörens mit B ab. Dazu kommen noch die Nebenwirkungen dieser Henkermahlzeit: man fühlt sich am nächsten Tag schlecht oder hat ein schlechtes Gewissen oder sonst etwas destruktives.
Man sieht, dass man im Endeffekt es viel schwerer hat aufzuhören als jemand, der sich bewusst ist, dass es schwer werden wird und sich somit auf diese schweren Zeiten einstellt. Ich meine damit, dass es bekanntlich bei Suchten ja zwei Arten der Abhängigkeit gibt: 1) die physische z.B. durch die Veränderung mancher Organe oder des Gehirns. Dies führt zu heftigen Entzugserscheinungen, wenn die Droge nicht konsumiert wird und 2) die psychische Seite, also die Vernunft, die den ganzen Prozess des Aufhörens initialisiert hat. Benutzt man jetzt allerdings Ersatzdrogen, um sich den Gedanken nicht stellen zu müssen, versagt man doch gleich von Anfang an, weil man nicht sein Leben lang davor weglaufen kann. Die Lösung ist also: "Umarme den Schmerz und du gewinnst das Spiel". Stelle dich deinem Problem auf beiden Ebenen und wisse, dass es irgendwann besser werden wird, dass es kein Picknick werden wird. Außerdem, wenn man den Theorien über die Plastizität des Gehirns glauben schenken darf, ist es ja wissenschaftlich belegt, dass sich das Gehirn den neuen Umständen anpassen wird. (das Zitat ist übrigens aus dem Film "Revolver" Smile )
Geht es jemandem so ähnlich? Würde jemand etwas ergänzen oder wiedersprechen? Wie ist es bei euch?










Zitieren
#2
Es liegt in der Natur der Menschheit den Weg mit dem geringsten Widerstand zu gehen. Das ist ein Faktum. Wieso? Weil es einfacher ist! Warum einen Säbelzahntiger bekämfen, wenns auch ein Hase sein kann? Der Unterschied zwischen den Menschen welche den leichtesten Weg wählen und den anderen ist einfach, dass letztere sich für ihren Weg bewusst entscheiden.
Doch, wie du schon selbst erkannt hast, führt der leichtere Weg nicht immer zum Ziel.

Was ich damit meine ist, dass die Wahl zu einer "Ersatzdroge" oder das Vermeiden von Konfrontationen natürlich ist. Viele Personen machen dies in der Sucht auch unbewusst. Wie auch ich selbst - es gibt Tage, da will ich nicht zur Therapie gehen. Jede Körperzelle sagt in mir "hey, lege dich auf die Couch und faulenze doch ein wenig. Du hast es dir verdient. Du musst nicht zur Therapie" etc.
Doch genau dann, wenn dein Körper oder deine Psyche zum kämpfen beginnen - teilweise im wahrsten Sinne des Wortes - lohnt es hinzusehen und sich selbst zu analysieren. Unterschätze niemals die psychische Ebene.


Noch ein Wort zu den bewussten Entscheidungen.
Morgen aufzuhören und nicht heute (Galgenfrist) - ist in meinem Verständnis keine bewusste Entscheidung. Es ist eine Entscheidung aus einer Laune heraus. Eine Entscheidung bestimmt durch Emotionen. Doch die Gefahr der Emotionen steht schon im Begriff selbst: "e-MOTION".
Emotionen sind nur präsenz, also die Gegenwart - ein momentaner Zustand. Ich wette die Meisten in diesem Forum haben schon einen Satz geäußert wie "Nie wieder! Diesesmal schaffe ich es wirklich! Ich bin top-motiviert aufzuhören!" (ja, habe ich auch zu oft gesagt :/ ). Doch wenn das Kriegsbeil mit der Sucht psychisch gerade begraben wird und die Hand in der Hose verschwindet werden diese Sätze nicht mehr geäußert...

Bewusste Entscheidungen bedeuten nachdenken. Mit sich selbst auseinander zusetzen. Pro und Contra. Was ist der Hintergrund warum ich in diesem Moment nicht aufhören will? Warum verspüre ich den Drang nach einer Droge? Die Flucht aus der Realität? etc.
Klar, nicht immer findet man sofort eine Antwort. Sehr oft glaubte ich auch "Mir fällt dazu nichts ein! Also muss alles passen - der Grund liegt woanders.". Wenn das sich selbst Fragen stellen so einfach wäre, gäbe es wohl kein Psychologiestudium..

Das ist mal soweit meine Meinung zu diesem Thema.
Und bitte stellt mir bitte nicht die Frage, ob es Hasen zu Zeiten des Säbelzahntigers schon gegeben hat - ich weiß es nicht!
[Bild: img?u=5670748685336576]
Zitieren
#3
(22.04.2015, 15:18)IwasIwer schrieb: [...] Entscheidung bestimmt durch Emotionen. Doch die Gefahr der Emotionen steht schon im Begriff selbst: "e-MOTION". [...]

Ich bin irgendwie gerade zu blöd das zu raffen Big Grin Was genau meinst du mit e-MOTION (wie im englischen Motion für Bewegung?).










Zitieren
#4
Zugegeben, die Thematik ist kein einfaches Kapitel. Doch du hast schon richtig erkannt, motion im Sinne des englischen Begriffes für Bewegung.

In diesem Moment triffst du die Entscheidung nicht mehr auf das Mittel deiner Sucht zurück zugreifen. Du fühlst dich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich irgendwo schlecht, als würde dich die Sucht erdrücken. Die Konsequenzen machen dir zu schaffen. Du biegst deinen kognitiven bzw. also logischen Verstand deshalb in diese Richtung, weil dich in Wirklichkeit gerade die schlechten Gefühle der Sucht plagen. Ergo: Ich fühle mich schlecht >> Ich muss aufhören.

Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Sucht aber der einzige Ausweg - zumindest für dich. Das Gefühl der Sucht folgeleisten zu müssen plagt dich. Du biegst erneut deinen kognitiven Verstand zu recht und es kommen Ausreden zustande wie "Morgen höre ich auf! Nur ein letztes Mal noch!". Das kennt wahrscheinlich jeder süchtige. Ergo: Ich brauche diesen Orgasmus >> Morgen höre ich aber auf!

Doch genauso ist es möglich, seinen Gefühlszustand gänzlich durch deinen kognitiven Verstand zu ändern. Dieser Teil jedoch ist den meisten gänzlich unbekannt. Du veränderst deine Gefühle aufgrund deinem logischen Denken.
Männer machen das auch gerne mit dem Gefühl der Liebe. Du denkst dir vielleicht, dass die Frau gut mit Kinder umgehen kann oder gut kochen kann - früher oder später fängst du an für diese Frau etwas zu empfinden an. Anfangs waren da überhaupt noch keine Gefühle. Diese Frau war einfach ein Freund - eine Bekanntschaft. Doch durch dein Nachdenken über sie veränderst du deine Gefühlslage.

Das Prinzip dahinter entspricht dem was man in einer Psychotherapie auch teilweise macht. Und ja, das erfordert Übung.

In diesem Beitrag wird die Thematik nocheinmal - meiner Meinung nach - sehr gut erklärt:
https://www.dasgehirn.info/denken/emotio...en-gefuehl

Um ein Beispiel zu bringen:

Ich befinde mich derzeit in einer Flatline. Gestern Nacht hatte ich zum ersten Mal seit geraumer Zeit wieder einen stramm stehenden Soldaten. Die Tage davor hatte ich wirklich Angst. Was wenn der gar nicht mehr seinen Dienst schieben will? Wenn da gar nix mehr steht? Bin ich dann überhaupt noch ein Mann?

Angst und Zweifel machten sich breit.

Darauf habe ich nachgedacht und bin zu folgendem Schluss gekommen:
Das Testosteron ist u.a. dafür verwantwortlich, dass der Mann einen Strammen in der Hose hat. Bis jetzt erfolgte jedoch dieser Testosteron- und Dopaminausstoß in größten Mengen wenn ich mir Pornografie angesehen habe. Die Realität einer Frau gibt mir nichts mehr. Die Reizschwelle ist einfach zu hoch geworden.
Doch durch den Pornografie verzicht entfällt diese "Testosteron"-Spritze - ergo da ist jetzt eine Flaute in der Hose. Doch gleichzeitig fällt durch diesen Verzicht auch die Reizschwelle. Damit sind (hoffentlich) realen Frauen immer sexuell attraktiver für mich mit der Zeit. Ein neuer natürlicher Weg für Testosteron eröffnet sich, mein Soldat bekommt wieder Motivation für seinen Dienst und gleichzeitig auch wieder das reale Interesse an einer Frau.

So wurde aus meiner Angst eine Motivation diese Flatline zu überdauern. Ob diese Argumentation richtig ist oder nicht spielt in diesem Fall absolut keine Rolle. Die Argumentation macht - für mich! - sinn und hat mir die Angst im Unterbewusstsein genommen. Sie bringt mich in die richtige Richtung.
[Bild: img?u=5670748685336576]
Zitieren
#5
Natürlich möchte man in Bezug auf Sucht oder Dinge, die einem nicht gut tun, stets rational denken. Aber ich möchte nicht das ablegen, was mich menschlich macht: gerade diese Gefühlswelt und Ungewissheit machen das Leben doch lebenswert.

Ich würde mir an deiner Stelle nicht so einen Druck machen. Wenn du deine Gewohnheiten änderst, passt sich dein Körper an. So wird sich also nach gewisser Zeit auch dein Gehirn anpassen und die Reizschwelle wird ebenfalls sinken. Habe gestern eine nette Metapher für Pornos gehört. Pornos haben so viel mit realem Sex zu tun wie Hollywood Filme mit dem realen Leben ... .

Ich habe ehrlich gesagt keinen Schimmer, wie die Hormonregulation im Körper passiert, weshalb ich mir nicht sicher mit dem Testosteron Spiegel bin. Solange man gesund ist braucht man sich doch keine sorgen zu machen glaube ich ... Big Grin










Zitieren




Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste