Lieber Leserinnen und Leser,
zum heutigen Interview dürfen wir Frau Gabriele Farke von www.onlinesucht.de begrüßen. Ihr Portal thematisiert seit der ersten Stunde die Problematik Onlinesucht in ihren verschiedenen Facetten und leistet zudem Hilfestellung bei jeglichen damit verbundenen Problemen.
Porno-Sucht.com: Zunächst ein paar kleine Vorinformationen zu Ihrer Person für unsere Leser: Über wen dürfen Sie hier mehr erfahren und seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema „Onlinesucht“?
Gabriele Farke: Gabriele Farke, 58 J., geb. in Bielefeld, wohnhaft in Buxtehude, gel. Industriekauffrau und Ausbilderin für Industriekaufleute, Psychologische Beraterin. In 1998 gründete G. Farke den HSO e.V. (Hilfe zur Selbsthilfe bei Onlinesucht), Deutschlands erstes Portal für von Onlinesucht betroffene Menschen und deren Angehörige (www.onlinesucht.de). Seither ist sie Vorstandsvorsitzende des gemeinnützigen Vereins.
Porno-Sucht.com: Wenn wir das richtig verstehen, unterscheiden Sie Onlinesucht in folgende Bereiche: OnlineCHATsucht, OnlineSPIELsucht sowie OnlineSEXsucht – könnten Sie vielleicht kurz ausführen, welche Thematik Sie am häufgisten erleben und ob es zwischen diesen Süchten Korrelationen gibt?
Gabriele Farke: Seit mehreren Jahren hat sich die Problematik der Onlinesexsucht deutlich verschärft. Unsere Beratungen zielen daher zu 95 % auf diese Suchterkrankung ab. Onlinechatsucht und Onlinespielsucht wird beim HSO e.V. nicht mehr häufig thematisiert, da sie erfreulicherweise zunehmend in Ambulanten Suchtberatungsstellen aufgegriffen und ggfs. Therapien eingeleitet werden. Qualifizierte Therapieangebote bei Onlinesexsucht stehen allerdings leider immer noch nicht ausreichend zur Verfügung.
Porno-Sucht.com: In einem Ihrer Vorträge unterscheiden Sie bei Sexsucht bzw. Pornographiesucht zwischen – „Interaktivem CyberSex“ und „Konsum ohne Gegenüber “ . Wir von Porno-Sucht.com fokussieren uns vermehrt auf die kostenlosen „Highspeed Streamingseiten“. Haben Sie in den letzten Jahren einen starken Zulauf hinsichtlich dieses Bereiches erlebt?
Gabriele Farke: Interaktiver Cybersex IST ein Konsum ohne Gegenüber. Wir haben beobachtet, dass das Angebot der Highspeed-Streamingseiten der eigentlichen Problematik noch einmal mehr Bedeutung gegeben hat. Die Hilferufe erfolgten allerdings auch schon vor dem Ausbau des Netzes.
Porno-Sucht.com: Mittlerweise weiß man, dass Pornosucht in denselben Gehirnregionen Aktivitäten auslöst wie es z.b. bei einem Drogenrausch der Fall ist. Glauben Sie, dass das Thema Pornosucht bzw. Onlinesexsucht zu wenig behandelt bzw als etwas zu „normales“ bzw „selbstverständliches“ wahrgenommen wird ?
Gabriele Farke: Ganz klar: JA, leider! Dies ist auch ein klarer Vorwurf an die Psychotherapeuten, die sich immer noch scheuen, in die Problematik einzusteigen und sich weiterzubilden.
Porno-Sucht.com: Haben Sie Betroffene bzw. User kennengelernt, die bereits in jungen Jahren aufgrund ihres exzessiven Pornokonsums an erektilen Dysfunktionen litten?
Gabriele Farke: Ja, immer wieder, aber nicht in sehr großer Anzahl, maximal 0,5 % der insgesamt Hilfesuchenden.
Porno-Sucht.com: In Ihrem Selbst-Test nach Cybersexsucht lautet eine Frage „Hat dein Internetverhalten Probleme mit Menschen in deiner Umgebung gebracht?“. Auch wir erkennen, dass es immer mehr (v.a. junge) Männer gibt, die nicht mit Frauen umgehen können, schon Probleme beim Augenkontakt haben. Inwiefern ist dieses Problem Ihrer Meinung nach mit Pornosucht in Verbindung zu bringen?
Gabriele Farke: Zu 100 %. Im Internet wird ja jeder zwischenmenschliche Kontakt bewusst vermieden. In der Anonymität lernen viele junge Menschen einen „maschinellen Sex“ kennen, der mit sozialen Kontakten nichts mehr zu tun hat. Wir erleben vor allem bei jungen Männern häufig, dass sie durch jahrelangen Onlinesex große Hemmungen haben, im realen Leben Kontakte zum anderen Geschlecht aufzubauen. Häufig ist ein sehr „verqueres Frauenbild“ entstanden.
Porno-Sucht.com: Sehen gerade in der Sucht nach Highspeed-Internet-Pornografie auch weitere soziale Probleme, die sich ergeben könnten?
Gabriele Farke: Trennung in der Familie, Jobverlust, Ent-Sozialisierung.
Porno-Sucht.com: Ganz Deutschland war Anfang 2013 geschockt, als Patrick Nuo seine extreme Pornosucht aufdeckte. Haben Sie dadurch mehr Zulauf von Süchtigen erhalten, die sich vorher nicht getraut haben, Hilfe bzw. ein Austauschforum zu suchen?
Gabriele Farke: Einige Anfragen beruhten auf diesem Outing. Allerdings hat sich die Gesamtsituation dadurch nicht sehr verändert, die Problematik war bereits vorher weitgehend bekannt (bei den Betroffenen) und unsere Beratungen werden seit Jahren sehr intensiv in Anspruch genommen!
Porno-Sucht.com: Nun eine letzte Frage: Wie sehen Sie die Zukunft für unsere „Generation Smartphone“ im Bezug auf deren Suchtverhalten? Jugendliche sind schon sehr früh einer Überstimulierung ausgesetzt und sehen Sie hierfür eine Basis für die von Ihnen thematisierten Süchte, quasi „immer online“ – speziell die Pornosucht?
Gabriele Farke: Ganz klar sehen wir das Smartphone und dessen ununterbrochenen Gebrauch als eine Art „Einstiegsdroge“. Beobachten Sie selbst mal bewusst unsere Gesellschaft (ob Jung, ob Alt). Ohne das „Abtauchen in die Medien“ scheint der Alltag unmöglich geworden zu sein. Ein Alarmzeichen, das viel zu wenig Beachtung findet, wie ich meine. Eine Basisgefahr, speziell für eine durch den exzessiven Gebrauch möglicherweise entstehende Pornosucht, sehe ich nur bedingt. Für eine allgemeine Onlinesucht allerdings JA!
Liebe Frau Farke, wir bedanken uns an dieser Stelle für das nette und informative Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg mit Ihrer wichtigen Arbeit!
Ihr Team von
Porno-Sucht.com
Ein ausführliches Video eines Vortrags finden Sie hier:
www.onlinesucht.de/internetsucht.flv