Neu hier, brauche dringend Hilfe.

[der.eine.typ]

Hallo liebes Forum,

ich kann nicht mehr und möchte endlich das Gespräch zu anderen suchen.
Ich bin N, männlich, 23 Jahre alt und bestimmt schon seit dem ich 15 war eigentlich täglich dabei Pornos zu konsumieren. 
Mit dem Masturbieren habe ich bereits mit 9 angefangen (zunächst relativ selten, mit Anfang 12 ging es fast täglich zu) und auch von 9 bis 15 gelegentlich Pornos konsumiert.
Ich wurde leider nicht ausreichend vor diesen Inhalten geschützt und bin auch im realen Leben, teilweise ungewollt, in Kontakt mit Sexualität gekommen.
Ich habe immer das Gefühl gehabt ein anderes Verhältnis zu Sexualität zu haben, als gleichaltrige Jungs.
Lange Zeit habe ich kein Problem darin gesehen, doch seit einigen Jahren plagt es mich sehr.
Ich habe schon zu oft Inhalte konsumiert, die man nicht konsumieren sollte und meine Erektion war bei echtem Sex nie so stark. Schon bei meinem ersten Mal habe ich keinen hoch bekommen und erst bei meiner ersten langen Beziehung habe ich es geschafft vernünftige Erektionen zu bekommen und somit sorgenfreien Sex zu haben.
Das Thema Sexualität ist bei mir eine riesige Baustelle und fern ab von 'Normal' bzw. Gesund. 
Aus diesem Grund habe ich keinen Trieb und suche eigentlich keinen sexuellen Kontakt obwohl ich es mir wünsche.

Ich hoffe hier Hilfe zu bekommen und endlich den Konsum einstellen zu können, ich kann nicht mehr.

MfG
N

[Geduldige]

Lieber N,

willkommen und danke für Deine Geschichte. Du klingst sehr verzweifelt

Es macht mich immer traurig, von so jungen Männern zu lesen und dass alles schon so früh angefangen hat. Aufklärung und Schutz wären wichtig gewesen. Daran mangelt es auch heute noch gewaltig. Aber das ist ein anderes Thema. Nun bist Du hier, und das ist viel Wert.

Schade ist auch, dass Du Sexualität nicht unbelastet kennenlernen konntest und da schon quasi pornovernebelt warst. Mal ab und an einen Porno anzusehen, nachdem man eigene Erfahrungen machen konnte und die eigene Sexualität sozusagen gefestigt ist, ist etwas ganz anderes als wenn man sie durch Pornos kennenlernt und sich somit gar nicht mehr "frei" darauf einlassen kann oder will.

Die ersten Berührungen, der erste Kuss, der erste Sex sind intensive Erlebnisse, die Du gar nicht so erfahren konntest. Dieses Feuerwerk an Gefühlen hast Du bereits vorher durch Pornos erlebt, und dagegen war später der reale Kontakt sicher eher lau und bereits mit den Eindrücken aus den Pornos "verseucht", mit Ängsten und Druck verbunden. Das ist sehr schade.

Jemand, der erst später in die Pornofalle tappt, hat die Erlebnisse davor, auf die er zurückgreifen kann, nach dem Motto: "Ich will das wieder zurück, so wie es vorher war." Das hast Du leider nicht. Es gibt auch nach wie vor Menschen, die sich in gewissen Abständen einen Porno gönnen können, ohne davon abhängig zu sein. Grund: Sie können echter Intimität mehr abgewinnen als den Pornos. Dieses "Schutzschild" fehlt bei jungen Konsumenten völlig.

Und der Einfluss von Pornos ist in jungen Jahren besonders stark, vorallem wenn dem noch keine realen Erfahrungen gegenüberstehen. Und so gerät dieser junge Mensch irgendwann mit völlig falschen Erwartungen, Bildern, Glaubenssätzen und bereits abgestumpft in sexuelle Situationen. Dir Enttäuschung ist da einfach vorprogrammiert.

Du hattest geschrieben, dass Du teilweise ungewollt mit Sexualität in Kontakt gekommen bist. Wie ist das gemeint? Dass Du wegen den Pornos reale Kontakte weitestgehend gemieden hast, was oft üblich ist, oder dass Du missbraucht wurdest? Bitte antworte nur darauf, wenn es okay für Dich ist!

Fakt ist, egal wie jung oder alt: Es ist nie zu spät, sich zu befreien und ungezwungenen, befriedigenden und erfüllenden Sex zu erleben.

Sei Dir aber bewusst, dass es ein langer Weg sein wird, dass Du dranbleiben musst, auch wenn Du hin und wieder "fällst", und dass der reine Verzicht nicht die Lösung ist. Du musst Dich mit Deiner Vergangenheit, Dir, Deinem Leben auseinandersetzen und womöglich einiges ändern. Denn Porno beeinflusst irgendwann bewusst und unbewusst so ziemlich alle Lebensbereiche. Wo Baustellen sind, wirst Du aber herausfinden, sobald Du erstmal die Pornos weglässt und aufmerksam auf Dich schaust. Es wird immer wieder gute und schlechte Tage geben. Das ist alles ein Prozess und gehört leider dazu.

Wenn Du zusätzliche Hilfe brauchst, wende Dich an einen Verhaltenstherapeuthen oder/und an eine Selbsthilfegruppe, führe hier ein Tagebuch. Die Männer und auch Frauen hier im Forum sind an Deiner Seite und helfen Dir durch diese Zeit.

Ich hoffe, dass ich Dich mit der ungeschönten Wahrheit nicht entmutigt oder verschreckt habe. Du hast den 1. Schritt getan, eigentlich schon zwei. Du hast gemerkt, dass etwas nicht stimmt, und Du bist hier im Forum. Damit sind die ersten Schritte getan. Damit bist Du schon viel weiter als so mancher Süchtige, der es einfach (noch nicht) sieht.

Vielleicht hilft Dir der Gedanke, dass Du Dich jetzt auf den Weg in ein besseres und glückliches Leben begibst, auf eine Reise (man könnte es auch Mission nennen). Es erwartet Dich eine selbstbestimmte Sexualität, die Dich stärkt, zufrieden macht und keine negativen Nebenwirkungen wie Scham, andere negative Gefühle, Depressionen, Erektionsstörungen, Unlust, Einsamkeit, Abstumpfung und und und bereit hält, die Pornos auslösen können.

Dass Du das Problem erkannt hast und nun hier bist, zeigt, dass Du reflektierst. Damit hast Du die besten Chancen, den Reboot zu schaffen, und das wirst Du auch! Da bin ich mir sicher.

Alles Liebe

Geduldige