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Was mir auffiel beim Lesen vieler Beiträge
#1
Hallo,

mir fiel immer wieder auf, dass viele krampfhaft die Tage der Abstinenz zählen.
Oder irgendwelche Challenges machen wollen, "wer hält länger durch".

Es ist verständlich, und erst 7, dann 30, dann 60 Tage sind gute Abschnitte, die man überschauen kann - und man den Berg in kleine, stemmbare Brocken zerlegt.
Das mache ich genauso und hat eigentlich jeder gemacht, der ein großes Projekt erfolgreich abgeschlossen hat.

Jedoch sehe ich ein grundsätzliches Problem, wenn man sich davon nicht löst.
Es geht nicht darum, wieviele Tage man schafft.
Es geht nicht darum, ob jemand mehr oder weniger Tage schafft.

Es geht darum, zu wachsen, das Leben neu zu erleben, Tag für Tag.

Entzug kann grauenhaft sein. Ich habe eine andere Sucht schon überwunden, am Ende ging es sehr viel leichter als ich das jemals erwartet habe - allerdings konnte ich das erst in der Rückschau so erkennen und auch fühlen. Also die Abrechnung am Schluss war so.
Und zudem, wenn ich schwierige Suchtdrucksituationen erfolgreich überwunden hatte, war ich trotzdem nicht glücklich. Jedoch oftmals sehr erstaunt und erlangte tiefe Einsichten in die Sucht. Einen oder zwei Tage später wurde ich dann von Glück durchströmt. Natürlich deshalb, es geschafft zu haben. Aber vor allem, zu erkennen, dass ich es tatsächlich nicht gebraucht habe. Jedoch mein Dasein nichts anderes bisher kannte.

Welche Schönheit im Nicht-Konsum steckte.

Das ist ja gerade zum einem ein Problem der heutigen Gesellschaft, dem Süchtigen sowieso und extrem beim Sexsüchtigen: Alles muss sofort da sein.
Für Alkohol, Zigaretten, Prostituierte oder illegale Drogen muss man tatsächlich noch den entsprechenden "Anbieter" aufsuchen, vielleicht ins Auto steigen, "Zubehör" kaufen, falls man noch teilweise Kontrolle besitzt, einrechnen, dass man morgen früh arbeiten gehen muss und nicht zu dicht oder spät ins Bett darf - oder ganz banal: Sich seine Kohle einteilen muss - keine Arme, keine Kekse sagt wohl jeder "Händler".
Schön ist es doch beim Sexsüchtigen: Er braucht für die rudimentärste Entspannung nichts. Er hat alles dabei.
Soll es etwas mehr abgehen, braucht nur der Computer gestartet zu werden - der ist doch sowieso nicht heruntergefahren, sondern nur im Sleepmodus. Ansonsten einfach das Smartphone zücken und ab gehts, ach wie toll, wie schnell, wie einfach...

Es gibt keine Abkürzungen.
Der Weg ist hart.
Doch, wenn man sich ihm nicht stellt, kann ich eines verkünden:

Man verpasst auch unglaubliche Schönheit auf dem Weg!

Und eines noch:
Nur das reine Weglassen ist ein Irrweg. Bedenkt, es entsteht ein enormes Vakuum. Alleine die viele Freizeit, die muss gefüllt werden. Und zwar mit Liebe. In erster Linie zu einem selbst.
Das ist ebenfalls eine Herausforderung, und die ersten Schritte sind, och nöööö schon wieder, nicht leicht.
Aber sie werden immer leichter.
Und am Ende interessiert das tatsächlich auch überhaupt keinen. Am Ende nicht einmal dich selbst.
Denn wenn du beispielsweise doch rausgehst und auch nur eine Kleinigkeit erlebst als Alternative zum weiteren Abhängen in der Wixbude... hinterher ist es dir egal.
Kleiner Tipp am Rande, irgendwann muss man immer wieder nach Hause. Mir hilft es sehr, mich auf dem Heimweg darauf vorzubereiten, tja, gleich zu Hause zu sein. Tür zu und allein. Was mache ich dann?

Ich muss noch was dazu schreiben, kann mich nicht zügeln:

Die Ausübung der Sucht war gerade der bisher gewählte Weg, einem Schmerz auszuweichen.
Du willst also die Droge weglassen, die dich bisher für wenige glückselige Momente vom Schmerz erlöste, dir half ihn einfach mal zu vergessen. Dopamin, oh, Dopamin... wie ich dich liebe...
Wenn du die Droge weglässt, musst du dann nicht geradezu erwarten, dass genau dieser Schmerz dann auch mitunter brutal eines ist: Nämlich DA.
Weiche ihm nicht aus, akzeptiere ihn. Nehme ihn an. Und dann schaue ihn dir an.
Ich kann dir noch eine Hoffnung mitgeben:
Egal wie stark er ist, du stirbst nicht daran. Du kannst ihn aushalten.
...und er geht vorbei, das ist sicher.

Ob irgendjemand mit meinem Posting etwas anfangen kann, ich weiß es nicht.
Wenn auch nur einer einen einzigen Gedanken drin finden kann, hat er sich gelohnt. :-)

Viele Grüße
QTS
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Was mir auffiel beim Lesen vieler Beiträge - von QTS - 29.08.2016, 19:35



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