Verlauf

[underworld]

Ich bin jetzt bei Kapitel 20: "Der einfache Weg aufzuhören"

1. Triff die Entscheidung, dass du nie wieder Pornos schauen wirst
2. Blase nicht Trübsal. Freue dich

Ich lebe in einem 24 Stunden Programm seit einigen Jahren. Die Entscheidung nie wieder zu konsumieren ist eine schwierige Sache. Denn die tatsächliche Bestätigung darüber könnte ich erst auf dem Totenbett bekommen. Daher werde ich bei 1) hinzufügen:


1. Triff die Entscheidung, dass du nie wieder Pornos schauen wirst. Wenn dir der Horizont zu groß erscheint, dann konzentriere dich auf die vor dir liegenden 24 Stunden. Und wenn das immer noch zu viel ist auf die vor dir liegende Stunde. Eine Stunde aufschieben gelingt dir immer!

Den Punkt 2 kann ich unwidersprochen so stehen lassen. Das hat mir damals beim Rauchen enorm geholfen. Sich nicht in der Phantasie verlieren wie schlimm und anstrengend jetzt alles wird.

Für mich weiß ich wieso ich Pornos konsumiert habe. Extreme Phantasien (die schon vor dem Konsum da waren) gekoppelt mit massiver sozialer Angst in fast allen Bereichen. Die Ängste waren im sexuellen Bereich am größten. Es gab eine kurze Phase in meinem Erwachsenenleben wo ich nicht konsumiert habe. Ansonsten durchgehend.

Trotzdem habe ich unglaubliche Angst wenn ich die Pornos loslasse. Denn für mich sind sie das einzige was in meinem Leben einer Art von "Sexualität" überhaupt nur in gewissem Maße ähnelt. Das heißt, ich sitze da selbst diesem Fehler auf, Pornos als Sexualität zu sehen. Gleichzeitig verdeutlicht das auch, wie sexlos mein Leben ist.
Gleichzeitig entlarve ich damit wieder mein eigenes Denken. Ich setze ein erfülltes Leben mit einem sexreichen Leben gleich. Aber stimmt das überhaupt? Habe ich diese Annahme jemals geprüft? Bin ich deshalb auch so depressiv? Weil ich ein Leben (unbewusst) dann als erfolgreich ansehe wenn es mit viel Sex gefüllt ist? Und infolgedessen mein Leben erfolglos ist, weil es seit Jahren ohne Sexualpartner stattfindet. 
Wenn ich dieser Prämisse folge dann ist der Schluss logisch. Aber ist die Prämisse überhaupt sinnvoll?
Ist ein Leben nur dann erfolgreich wenn viel Sex stattfindet? Oder ist dies nicht wirklich eine Erfindung unserer menschlichen Psyche? Ist eine Katze depressiv und hält sich für Dreck und Müll weil sie keinen Sexualpartner findet? Woher kommt dieses Denken bei uns (bei mir!), ein erfolgreiches Leben sei eines mit viel Sex? 

Ein ehemaliger Freund von mir hat über hundert Frauen gehabt und erzählte diese Geschichten immer und immer wieder. Er wusste wie man Frauen rumkriegt, wie man sich holt was man will. Finanziell, beruflich war und ist dieser Mensch eine Katastrophe. Trotzdem wird er jetzt zum zweiten Mal heiraten. Wird Sex mit Beziehung assoziiert und die erfolgreiche Bindung an einen anderen Menschen als Ausweis des eigenen erfolgreichen Menschseins? Wobei Bindung noch nicht einhergeht mit viel Sex. Wie einige Frauen hier im Forum auch immer wieder eindrücklich darstellen, wenn sie schreiben seit Jahren keinen Sex mehr gehabt zu haben obwohl sie verheiratet sind. 

Ich bin maximal verwirrt weil ich merke wie sehr mich diese Themen bedrücken.

PS: Meine Gedanken kreisen die ganze Zeit um das Thema Sex, Pornographie, was ist ein erfolgreiches Leben? Wieso haben manche Menschen diese Fähigkeit andere Menschen sexuell anzuziehen? Und wieder andere nicht? Wieso sind manche mutig und andere wieder nicht? Wieso verlieben sich Menschen? Was ist Liebe?

Das alles macht diesen zweiten Punkt so schwer. Beim Rauchen war die absolute Freude vom ersten Tag an da und sie hält bis heute an! Eine fast zwanzigjährige Freude über das Nichttun. Ich habe nur acht Jahre geraucht, in der Jugend. Aber exzessiv, >35 Kippen am Ende. 
Bei der Pornographie entwickelt sich diese Freude noch nicht. Diese Freude, endlich damit aufhören zu dürfen. Frei zu sein von dieser Art der Selbstvergiftung und Selbstversklavung. Wieso ist da keine Freude? Ja klar, ich habe über zwanzig Jahre Pornos genutzt, ein wesentlich längerer Zeitraum als das Rauchen. Es fühlt sich an als ob ich einen langjährigen Freund gehen lassen muss. Ein Freund den ich immer an meiner Seite hatte, dem ich noch nicht Lebewohl sagen kann. Zu dem ich mich immer wieder umdrehe und ihn nochmal anschauen will weil er so glitzert und so viele Versprechungen macht. Die er dann doch nie einhält. 
Hier im Forum gab es diesen Vergleich auch mal, wenn man Pornos mit einer Beziehung vergleichen würde. Wie krankhaft diese Art der Beziehung doch dann wäre! Und trotzdem kann ich mich nur schwer daraus lösen. Ich schätze es liegt an der oben beschriebenen Art eines erfolgreichen Lebens. 
Ich kann mich dann im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr selbst befriedigen. Zumindest  nicht mehr mit Pornos. Die Krücke fällt wirklich genau dann weg wenn ich sie am nötigsten habe.

Dieser ehemalige Freund, bei dem ging es sehr schnell als es soweit war. In dem Moment in dem ich sein bösartiges Verhalten und sein Denken über mich erkannte war die emotionale Bindung weg. Völlig erkaltet. Ernüchtert. 
So sollte es bei Pornos auch sein. Wenn ich quasi erkennen könnte wie Pornos über mich denken um es mal etwas überspitzt zu formulieren. Tatsächlich bin ich den Pornos bzw. den Produzenten und Darstellern völlig egal. Und andersherum ja auch. Es ist ein reines Missbrauchverhältnis.