Lieber Sven,
endlich komme ich dazu, Dir zu schreiben.
Super, wie Du die kleine Prüfung letztens gemeistert hast!
Pass weiterhin gut auf und mach einfach weiter wie bisher... Du bist auf einem sehr guten Weg, das freut mich!
Mit dem Thema Introvertiertheit habe ich mich auch intensiv beschäftigt, da ich selbst auch ein eher introvertierter Mensch bin und aktuell wieder lernen muss damit umzugehn.
Die wichtigste Erkenntnis für mich: Introvertiertheit ist keine Schwäche!
Es gibt ja generell nicht die strengen zwei Kategorien: extrovertiert und introvertiert.
Eher sind das Anteile, die überwiegen. Unterschiedlich auch in welchem Bezug:
z.B. Arbeit, Freundschaft, Liebesbeziehung etc.
Somit kann z.B. jemand beruflich eine Führungspersönlichkeit sein, aber in Liebesangelegenheiten eher schüchtern und zurückhaltend.
Unsere Welt hat sich jedoch sehr in Richtung Selbstdarstellung und Extrovertiertheit verändert.
Facebook, Instagram, Wettbewerbe aller Art im TV, YouTube etc. sind die perfekten Plattformen dafür.
Aber ein eher introvertierter Mensch und vorallem besonders ein junger Mensch, hat somit schnell das Gefühl nicht richtig zu sein, so wie er ist.
Man schaut auf zu den Extrovertierten und wünscht sich auch diese Offenheit, den Mut, diese Ausstrahlung, die Schlagfertigkeit etc.
Dabei sind wir doch alle gut so wie wir sind. Genau diese bunte Mischung macht uns doch aus...
Beide Seiten haben ihre Vor- und Nachteile.
Am meisten Energie verliert man aber, wenn man sich selbst Vorwürfe macht und sich vergleicht.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns so annehmen, respektieren und wertschätzen wie wir sind.
In punkto Partnerschaft, habe ich die Beobachtung gemacht, dass die Paare, die ein sehr ähnliches Temperament haben, meiner Meinung nach, am Besten zusammenpassen.
Zwar gibt es schon die Konstellationen, in denen sich die zwei Pole anziehen... der eine den anderen pusht und der andere den einen wieder erdet.
Aber nach mehreren Beispielen im persönlichen Umfeld, habe ich festgestellt, dass diese Beziehungen über kurz oder lang doch auseinandergehn u.a. auch aus diesem Grund.
Meine ältere Schwester z.B. ist ein sehr extrovertierter Mensch und ihr Mann introvertiert. Ihre Ehe scheitert aktuell gerade aus diesem Grund.
Die ruhige und besonnene Art meines Schwagers war für sie früher immer so wohltuend - jetzt ist er für sie plötzlich langweilig geworden.
Er kann einfach nicht mehr mit ihrer Energie Schritt halten...die Energie, die ihn anfangs aber so fasziniert und mitgerissen hat. Jetzt wirkt er überfordert und wie ausgebrannt.
Die Ehe ist leider am Ende... wirklich schade... aber auch der Paartherapeut konnte ihnen nicht helfen - sie sind einfach zu unterschiedlich.
Ich möchte meiner Schwester oder meinem Schwager gar nicht die Schuld an irgendetwas geben... nein...
Sie haben einfach diese zwei verschiedenen Charaktere. Beide können nichts dafür, dass sie so sind wie sie sind.
Denn keiner verhält sich mit Absicht so... und verstellen kann sich einfach keiner auf Dauer.
Meiner Schwester fällt es oft gar nicht auf, wenn sie laut, fordernd oder unsensibel ist. Sie meint es garnicht böse.
Sie ist einfach so.
Trotzdem kostet so ein Energiebündel einem sensiblen Menschen schon einiges an Kraft.
Aber zurück zu Dir und was ich Dir eigentlich damit sagen will:
Da Du ja auch ein eher introvertierter, sensibler Mann bist, würde zu Dir am Besten auch eine sensible Frau passen.
...eine, wie Deine Franzi aus Deinen schönen, romantischen Briefen.
Ich stell sie mir als eine natürliche, liebe Frau vor.
Eine, die das wirklich zu schätzen weiß, wie Du denkst und fühlst und auch wie aufmerksam Du sein kannst.
Eine, die es versteht, wenn Du Dich zurückziehen möchtest, um kreativ zu sein und die nicht gleich eifersüchtig ist, weil sie zu kurz kommt... Vielleicht ist sie ja selbst auch kreativ und versteht es daher umso mehr?
Eine, die ganz selbstverständlich mit Deinem Handicap umgeht.
Eine, die sich mit Dir an Kleinigkeiten freuen kann.
Eine, der Zuverlässigkeit, Vertrauen und Ehrlichkeit genauso wichtig ist wie Dir.
Solche Frauen sind aber leider gut versteckt!
Es sind nämlich meistens die Frauen, die nicht sofort auffallen...
Ich weiß, dass der Großteil der Männer von den aufregenden Schönheiten angezogen werden und sie gerne auch mit so einer Frau zusammensein wollen.
Ist ja auch legitim.
Aber meistens sind diese "Traumfrauen" eher extrovertiert.
Sie spielen bewusst mit ihrem Charme und/oder ihren Reizen um Bestätigung und Aufmerksamkeit zu bekommen.
Die extrovertierten Männer kommen damit meist gut klar... sie ticken ja oft genauso.
Aber einem sensiblen Mann kostest dieses Frau viel Energie... für's Kennenlernen und danach...
Dessen sollte man sich vielleicht vorab bewusst sein...das ist die Kehrseite der Medaille.
Als ich früher mit meiner Schwester zusammen unterwegs war, hatte sie immer die volle Aufmerksamkeit.
Sie betrat einen Raum und war präsent. Sie wurde immer angesprochen und angebaggert.
Ich nicht - obwohl ich keine Vogelscheuche bin und wir uns eigentlich sehr ähnlich schauen.
Früher habe ich dann oft mit mir gehadert und es nie verstanden, warum das so ist...
Inzwischen weiß ich, dass sie einfach ganz andere Signale aussendet als ich.
Es gefällt ihr im Mittelpunkt zu stehen und sie braucht einfach die Bestätigung von außen.
Ich mag dieses "Rampenlicht" und die Aufmerksamkeit gar nicht. Da fühl ich mich unwohl.
Ich bin erst in einem privaterem, ruhigeren Rahmen aufgetaut und habe "meine Männer' eigentlich nie in der Öffentlichkeit kennengelernt. Aber dafür waren es ausnahmslos liebe und sensible Männer.
Meine Schwester hatte durch die vielen, meist plumpen Anmachen in der Öffentlichkeit bei fast jedem Typen einen Ar*** am Start. Das waren halt auch die eher extrovertierten Männer, für die das Flirten ein leichtes Spiel ist und die die Frauen sammeln wie Trophäen...
Schlussendlich war das dann genauso frustrierend für meine Schwester - trotz der Aufmerksamkeit, die sie bekam.
Du möchtest ja eine Frau für was Ernstes...
Ich vermute, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Du Deine passende Partnerin in einem Cafe, in der Fussgängerzone oder an einer Haltestelle kennenlernst, sehr gering ist.
Versteh mich bitte nicht falsch, ich finde das unglaublich mutig von Dir, dass Du die Mädels da ansprichst...
Aber die meisten Paare lernen sich doch eher über den Freundeskreis, die Hobbys oder die Arbeit kennen.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass es da auch für Dich eine viel größere Chance gibt, ungezwungener jemanden kennenzulernen.
z.B. über Dein großes Hobby - dem Schreiben...in einer Umgebung wie in der Schreibgruppe... oder Du bemerkst eine Frau, die im Park sitzt und schreibt oder malt...
Oder eine neue Bekanntschaft aus einem Seminar mit einem Thema, dass Dich interessiert.
Da hat man doch einfach schonmal eine Gemeinsamkeit und Themen, über die man reden kann.
Ich denke schon, dass wir Frauen das ganz gut spüren können, ob ein Mann an einem Interesse zum Kennenlernen hat oder nicht - auch durch nonverbale Signale.
Entweder es kommen dann ein paar Signale von der Frau zurück und es entwickelt sich zumindest ein Gespräch, oder sie hat wirklich kein Interesse / ist glücklich vergeben...
Die Öffentlichkeit ist für ein Kennenlernen, meiner Meinung nach, kein so guter Ort... auch nicht dann, wenn noch jemand dabei ist... eine Freundin z.B.
Eine introvertierte Frau taut eher, wie schon geschrieben, in einem "geschützterem" Rahmen auf... ohne Publikum.
Das sind jetzt ein paar Sachen, die Du bestimmt schon alle mal gehört hast... und es hört sich einfacher an, als es schlussendlich ist... das ist mir bewusst. Da spielt noch soviel mehr mit rein.
Ich wollte Dich nur sensibilisieren, dass die meisten introvertierten Frauen nicht auf das stehn, was immer so suggeriert wird! Weniger ist oft mehr...
Sei einfach Du selbst! Authentisch sein ist der Schlüssel!
Ich wünsch Dir einen schönen Wochenstart!
Bis bald
Susan
Ps: Ganz schön langer Text geworden... sorry !!