Pornosucht in der Fachmedizin? Deutsche und amerikanische Wissenschaftler untersuchen das Phänomen

Schon seit geraumer Zeit wird unter Wissenschaftlern angeregt darüber diskutiert, wie ernst man die Pornosucht nehmen darf. Für manche scheint es eine Art lästige Marotte zu sein, die man schnell wieder ablegen kann. Andere wiederum wissen es besser und kennen die Symptome und den Leidensweg der Betroffenen. Sie sind informiert darüber, was während der Sucht alles im Gehirn passiert und welche Auswirkungen das Ganze hat.

spurensucheDas „Diagnostic Statistical Manual“ – kurz „DSM“ – nimmt alle paar Jahre die verschiedensten psychischen Störungen unter die Lupe und ordnet sie ein in eine Art Klassifizierungssystem. Letztmals erschien die neue Ausgabe im Jahr 2013. In der Edition war es eine große Errungenschaft, dass endlich Abhängigkeiten, die im Zusammenhang mit PC´s und Internet stehen, auch mit aufgenommen wurden in die „Psychologen-Bibel“. In dem konkreten Beispiel ging es um Spielsucht am PC – als Videospiele. Es wurde angeführt, dass dieses Verhalten stark dem Substanzmissbrauch ähnelt. Diese Argumentation würde im Umkehrschluss auch der Pornosucht ihre „Daseinsberechtigung“ in diesem Fachbuch verleihen. Genau das probierte nun ein Stab von amerikanischen und deutschen Wissenschaftlern zu befeuern. In ihrem wissenschaftlichen Artikel geht es darum, genügend Argumente für die Anerkennung der Pornosucht zu liefern.

Die Ansammlung von Studien – wissenschaftliche Beweisführung

Bei der besagten Studie handelte es sich genauer gesagt um eine „Meta-Studie“. Das bedeutet, dass die Autoren selbst nach Fachliteratur recherchieren, die sich bereits dem jeweilig zu untersuchenden Thema angenommen hat. In dem Falle geht es also um die Pornosucht und es wird ein kleiner Rundumschlag gemacht. Hauptverfasser Todd Love und sein Team begannen zunächst, ganz allgemein nach Artikeln und Büchern zum Thema „Sucht“ zu suchen.

Um anzuzeigen, dass sich die verschiedenen Abhängigkeiten extrem ähneln, wurden dann jeweils die beschriebenen Abhängigkeitsmodelle, die für jede Sucht herausgestellt werden können, miteinander verglichen. Sie schauten also konkret danach, wie die Abhängigen in die Sucht geraten, wodurch sie darin gefangen bleiben und wie sie unter Umständen dort wieder heraus kommen können.

Auf diese Art und Weise konnten diverse Abhängigkeitsmodelle herausgefiltert werden. Dazu gehörten Verhaltensketten, neurobiologische Muster im Gehirn, genetische Einflüsse und auch Theorien zur Gewöhnung und Motivation. Immer wieder fanden sie Studien, in denen die Pornosucht sich nahtlos in die gängigen Erklärungsmuster für Abhängigkeit einreihte. Es war praktisch kein Unterschied zwischen Substanzabhängigkeit und – unter anderem – der Pornosucht erkennbar. Dies lässt wieder mal den Schluss zu, dass die Pornosucht eindeutig eine anzuerkennende Sucht ist.

Fazit der Autoren

Der Fokus der Autoren lag darauf, eine rote Linie der verschiedenen Süchte zu finden. Dabei wurden Studien zur Substanzabhängigkeit (z.B. Alkohol und Drogen), aber auch so genannte Verhaltenssüchte wie Glücksspiel und eben auch Pornosucht näher begutachtet. Es wurde ihnen deutlich, dass bei der Sucht nicht das spezifische Verhalten, der Inhalt oder die Substanz die große Rolle spielt. Nein: im Wesentlichen waren es neurobiologische Prozesse, die sich bei allen Arten der Abhängigkeit extrem ähnelten.

Letztendlich halten es die Verfasser für mehr als fragwürdig, warum also manche Süchte schon in den anerkannten Büchern wie der DSM – die als Leitfaden für viele Ärzte und Therapeuten gilt – aufgenommen sind, während andere Arten der Abhängigkeit keine Beachtung finden. Es wird dringend angeraten, vor Allem das Problem der Pornosucht noch einmal zu prüfen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Problem so flächendeckend verkannt wird; und das, obwohl es gleichermaßen flächendeckend präsent ist, wenn man den Umfragen zur Pornosucht glauben schenken kann.

Es bleibt also nur zu hoffen, dass das Bewusstsein für die Pornosucht weiter steigt und das weiterhin wissenschaftlich zu dem Thema gearbeitet wird. Irgendwann werden auch die vielleicht manchmal etwas konservativ arbeitenden Verantwortlichen des DSM merken, dass die Pornosucht weltweit ein reales und einflussreiches Problem darstellt.